Lexikon der Religionen:

Islamische Glaubenspraxis

„Die fünf Säulen des Islam“ gelten für Muslime aus allen Strömungen und bestimmen die Glaubenspraxis. Dazu gehören das tägliche Gebet und die Pilgerfahrt nach Mekka.

Der Islam ist eine Gesetzesreligion. Das religiöse Recht regelt nicht nur die religiöse Praxis sondern auch nahezu aller Bereiche des Alltags, sowie Wirtschaft und Politik.

Dabei kennt der Islam keinerlei umfassenden Organisationsform oder hierarchische Strukturen, wie etwa die Kirche. Rechte und Pflichten, Verbote und Gebote werden durch das islamische Religionsgesetz („Scharia“) geregelt. Grundlage für die Scharia sind zum einen der Koran, zum anderen die Überlieferungen der Handlungen und Äußerungen des Propheten Mohammeds, die als verbindliche Richtschnur für das rechtmäßige Verhalten von Muslimen gilt.

Im Islam existiert damit kein kodifiziertes, einheitliches Gesetzesbuch, in dem die religiösen Regeln für alle Muslime verbindlich festgehalten sind. Was als islamisch gilt und was nicht wird von islamischen Religionsgelehrten („Ulama“) diskutiert und entschieden. Aktuelle Fragen klären die Gelehrten durch Rechtsgutachten („Fatwa“).

Unterschiede in der religiösen Praxis gibt es nicht nur zwischen den beiden großen muslimischen Strömungen, den Sunniten und den Schiiten, sondern auch zwischen den verschiedenen Rechtsschulen. Die Übernahme von Traditionen aus vorislamischer Zeit hat zudem zur Herausbildung regionaler Spezifika geführt, die außerhalb des religiösen Kanons stehen und dem Volksglauben zuzurechnen sind.

Die fünf Säulen des Islam

Trotz der Vielfalt unterschiedlicher Auslegungen und Interpretationen gibt es einige Grundregeln, die alle Muslime als bindend ansehen. Diese zentralen Pflichten eines jeden Muslimen werden als die fünf Säulen des Islam bezeichnet. Neben dem Glaubensbekenntnis („Schahada“) gehören dazu das Gebet („Salat“), das Fasten im Ramadan (Saum), die Abgabe an Arme („Zakat“) und die Pilgerfahrt nach Mekka („Hadsch“).

Schahada: Das Glaubensbekenntnis

Mit dem bewussten und überzeugten Sprechen der Schahada bekennen sich Muslime zum Monotheismus sowie zur prophetischen Sendung Mohammeds: „Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Gott, und dass Mohammed der Gesandte Gottes ist.“ Das Glaubensbekenntnis gilt als der wichtigste Glaubensakt im Islam und wird mehrmals täglich gesprochen.

Salat: Das Gebet

Darüber hinaus sind Muslime auch verpflichtet, fünf Mal am Tag zu beten: Zum Morgengrauen, zu Mittag, am Nachmittag, bei Sonnenuntergang und am Abend. Der Muezzin ruft vom Minarett der Moschee die Gläubigen zum Gebet. Prinzipiell kann das Gebet an jedem Ort verrichtet werden, wobei sich der Betende stets nach Mekka ausrichten muss. Meist beten Muslime auf einer Unterlage, wie beispielsweise einem kleinen Teppich um sicherzustellen, dass der Boden auf dem sie beten nicht verunreinigt ist. Das Gebet besteht nicht nur aus Worten, sondern aus einer Abfolge von Bewegungen. Vor dem Gebet müssen die Gläubigen die rituelle Waschung („Wudu’“) vollziehen, die eher eine symbolische als eine hygienische Bedeutung hat.

Das gemeinsame Gebet in der Moschee ist, wenn möglich, dem Gebet alleine vorzuziehen. Zumindest am Freitag, dem islamischen Feiertag, sollten Muslime zum gemeinschaftlichen Gebet in die Moschee gehen. Dieses wird nicht in allen Moscheen sondern nur in den so genannten Großen Moscheen oder Freitagsmoscheen abgehalten. Das zentrale Freitagsgebet zur Mittagszeit wird von einer Predigt des Imams begleitet.

Zakat: Almosen an Arme

Die dritte Säule ist die Abgabe von Almosen („Zakat“) an Bedürftige. Die Abgabe von Geld oder auch Waren ist verpflichtend wobei die genaue Höhe nicht festgelegt ist. Meistens wird diese Abgabe freiwillig gegeben, in manchen Ländern wird der Zakat heute aber auch als Steuer erhoben und ist Teil der staatlichen Sozialgesetzgebung.

Ramadan: Das Fasten im Fastenmonat

Einen besonderen Stellenwert für Muslime hat das Fasten im heiligen Monat Ramadan. Es ist eine Zeit, in der Gemeinschaft und Familie im Mittelpunkt stehen. So fasten auch viele Muslime im Ramadan, die sich im Alltag nicht strikt an die Gebote halten. Die Pflicht zum Fasten betrifft alle gesunden Erwachsenen. Alte, Kranke und Schwangere sind vom Fasten ausgeschlossen, ebenso wie Menschen auf Reisen, Schwerarbeiter und Frauen während der Menstruation. Sie müssen allerdings die versäumten Tage nachfasten.

Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang wird auf Nahrung, Getränke und Genussmittel verzichtet. Auch sexuelle Berührungen sind während des Tages verboten. In der Nacht hingegen wird gemeinsam mit Freunden und der Familie gegessen, wobei die unterschiedlichen Regionen der islamischern Welt ihre eigenen kulinarischen Ramadantraditionen haben. Der Fastenmonat endet mit dem dreitägigen Fest des Fastenbrechens („Id al-Fitr“).

Hadsch: Die Pilgerfahrt nach Mekka

Die letzte der fünf Säulen ist die Pilgerfahrt nach Mekka. Einmal in seinem Leben soll jeder Muslim, der dazu körperlich und finanziell in der Lage ist, die heiligen Stätten in Saudi Arabien besuchen. Die Pilgerfahrt findet immer zwischen dem 8. und 12. Tag des Monats Dhu al-Hijja statt und setzt sich aus verschiedenen Ritualen zusammen, denen die Gläubigen gemeinschaftlich folgen: Zunächst wird die Kaaba siebenmal umkreist, die Pilger trinken Wasser aus der heiligen Quelle Zamzam und versammeln sich im Ort Mina, östlich von Mekka, wo die Nacht verbracht wird. Von dort aus wird eine Wanderung mit Gebeten zum Berg Arafat unternommen, bevor die Pilger zum Opferfest nach Mina zurückkehren.

Zum Abschluss der Hadsch wird noch einmal die Kabaa in Mekka umrundet. Muslime, welche die Pilgerfahrt unternommen haben werden mit dem Ehrentitel Hadsch angesprochen. Aufgrund der steigenden Mobilität und dem wachsenden Andrang, musste die Teilnehmerzahl begrenzt werden. Wer an der Pilgerfahrt teilnehmen darf, wird jedes Jahr über ein Losverfahren entschieden.

Feiern und Feste

Nachdem sich der islamische Kalender ausschließlich an den Mondphasen orientiert, ist es um elf Tage kürzer als das Sonnenjahr. Damit verschieben sich die muslimischen Feste gegenüber dem christlichen Kalender mit jedem Jahr um knapp zwei Wochen. Das islamische Jahr beginnt mit dem Neujahrsfest („Ras Al-Sanna“).

In den ersten Monat, Muharram, fällt ein vor allem für die Schiiten zentraler Feiertag, das „Aschura“-Fest. An diesem Tag wird, begleitet von Selbstgeißelung und Bußritualen, dem Tod des dritten Imam Hussein, einem Sohn Alis, gedacht, der als Märtyrer verehrt wird.

Monat Ramadan als Höhepunkt im Kalender

Der bedeutendste Monat im islamischen Kalender ist der Fastenmonat Ramadan, der mit dem Fest des Fastenbrechens („Id al-Fitr“) endet. Dieses Fest dauert drei Tage und steht im Zeichen der Familie. Nach einem Monat des Verzichts und Fastens wird an diesen Tagen besonders viel gegessen.

Der höchste islamische Feiertag ist das Opferfest („Id al-Adha“), an dem Muslime der Opferung vom Abrahams Sohn gedenken. Anders als in Judentum und Christentum glauben Muslime allerdings, dass Abraham auf Geheiß Gottes bereit war, seinen Sohn Ismail zu opfern. Muslime weltweit opfern anlässlich dieses Festes ein Schaf. Das Fleisch des Tieres wird mit jenen geteilt, die sich kein eigenes Opfertier leisten können.

Feste im Lebenszyklus

Neben den religiösen Festen gibt es im Islam auch eine Reihe personenbezogener Feiern, welche den Lebenszyklus der Muslime bestimmen. Zwar gibt es kein Aufnahmeritual in die Gemeinschaft, wie beispielsweise die Taufe im Christentum, allerdings wird dem Kind direkt nach der Geburt das Glaubensbekenntnis ins Ohr geflüstert und am siebten Tag das Namensfest gefeiert. Zu diesem Anlass wird zu Ehren des Neugeborenen ein Schaf geschlachtet und es erhält offiziell seinen Namen.

Beschneidung nur für Buben vorgesehen

Für Buben ist außerdem die Beschneidung ein wichtiger Anlass im Leben. Anders als im Judentum ist die Beschneidung im Islam keine religiöse Pflicht, hat aber als Tradition eine wichtige Bedeutung und wir zumeist opulent im Kreis der Familien gefeiert. Ein bestimmtes Datum ist nicht vorgegeben, allerdings findet die Beschneidung nie am achten Tag nach der Geburt statt, um die islamischer Tradition von der jüdischen abzusetzen.

Die Beschneidung von Mädchen ist im Islam nicht religiös begründet, dennoch wird auch in islamischen Gesellschaften bis heute weibliche Genitalverstümmelung praktiziert. In vielen islamischen Ländern ist weibliche Genitalverstümmelung per Gesetz verboten und auch einflussreiche Islamgelehrte sprechen sich durch entsprechende Rechtsgutachten explizit gegen die Beschneidung von Mädchen aus.

Mit dem Glaubensbekenntnis sterben

Das Leben eines Muslims endet wie es begonnen hat, mit dem Glaubensbekenntnis. Vor Eintreten des Todes wird dem Sterbenden, wenn dies möglich ist, die Schahada ins Ohr geflüstert. Nach Eintreten des Todes wird der Leichnam von den Angehörigen gewaschen und in ein weißes Tuch gehüllt. Die Beisetzung soll so rasch wie möglich erfolgen, in der Regel noch am selben Tag. Danach folgt eine dreitägige Trauerzeit während der Freunde und Bekannte den Hinterbliebenen ihr Beileid aussprechen.

Familie von zentralem Stellenwert

Die Familie hat in der islamischen Gesellschaft einen besonderen Stellenwert, daher ist auch die Ehe von zentraler Bedeutung. Während muslimische Männer explizit auch Christinnen und Jüdinnen heiraten dürfen, so ist muslimischen Frauen die Ehe mit Nicht-Muslimen verboten. Der Grund dafür ist, dass der Vater die Religion an die Kinder weitergibt, und dass auf diese Weise die religiöse Gemeinschaft erhalten werden soll. Männer dürfen nach islamischem Recht bis zu vier Frauen heiraten, wobei alle Frauen gleichermaßen gut versorgt werden müssen.

Die Ehe im Islam ist ein zivilrechtlicher Vertrag zwischen den Eheleuten. Dieser Vertrag kann aufgelöst und die Ehe damit geschieden werden. Grundsätzlich haben beide Eheleute das Recht bei Nichterfüllung den Vertrag aufzulösen, allerdings ist die Scheidung für den Mann in der Praxis wesentlich einfacher als für die Frau.

Kinder sind im Islam sehr wichtig, wobei in vielen Gesellschaften Buben immer noch eine größere Bedeutung zugemessen wird als den Mädchen. Kinder werden in der Familie, manchmal auch in der Koranschule, in die religiöse Praxis eingeführt. Im Alter zwischen acht und zehn Jahren beginnen Kinder normalerweise das rituelle Gebet zu verrichten und probeweise einige Tage zu fasten.

Geschlechtertrennung für Erwachsene

Mit dem Übergang zum Erwachsenenalter trennen sich in religiösen Familien auch die Lebensbereiche von Buben und Mädchen. So gehen Buben beispielsweise nicht mehr mit den Müttern ins Bad („Hamam“), sondern schließen sich den Männern an. Mädchen hingegen spielen nicht mehr mit den männlichen Altersgenossen draußen sondern bleiben mit den weiblichen Familienmitgliedern im Haus. Mädchen aus religiösen Familien beginnen meist mit der Pubertät, ein Kopftuch zu tragen und Arme und Beine durch lange Kleidung zu bedecken. Auch für Männer ist ein moderater Kleidungsstil vorgeschrieben. Besonders fromme Muslime tragen auch eine Kopfbedeckung. Allerdings sind die Kleidungsvorschriften im Islam keineswegs eindeutig geregelt und werden ganz unterschiedlich interpretiert und umgesetzt.

Kein Alkohol und kein Schweinefleisch

Neben den fünf zentralen Pflichten kennt der Islam zahlreiche weitere Gebote, die den Alltag strukturieren, beispielsweise die Speisevorschriften. So dürfen Muslime ebenso wie die Juden nur nach rituellen Vorschriften getötete Tiere essen. Beim Schächten wird dem Tier die Kehle durchgeschnitten, damit es vollständig ausbluten kann, da der Verzehr von Blut als unrein gilt.

In Österreich ist das Schächten nur in zertifizierten Schlachthöfen und unter Aufsicht eines Tierarztes erlaubt. Der Genuss von Schweinefleisch und Alkohol ist im Islam gänzlich verboten. Einige Rechtsschulen verbieten auch den Verzehr andere Tiere, beispielsweise Meeresfrüchte.

Weitere Übersichtsartikel zum Islam

Siehe dazu auch im ORF-Religionslexikon: