Lexikon der Religionen:

Inquisition (Zensur)

Bekämpfung von Irrlehren und Ketzern im Christentum

Mit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion wurde die Bekämpfung von Irrlehren und Ketzern auch zu einer Angelegenheit des Staates. Die Rollenverteilung zwischen Staat und Kirche war immer wieder umstritten, folgte aber im Grunde der „Zwei-Schwerter-Theorie“, die sich auf eine unklare Stelle im Lukasevangelium berief („Da sagten sie: Herr, hier sind zwei Schwerter. Er erwiderte: Genug davon!“ Lk 22,38) und diese auf das Nebeneinander von geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit auslegte. Wenn von kirchlicher Seite eine Bewegung oder eine Person verurteilt wurde, folgte daraus die weltliche Verfolgung durch den Reichsbann oder die Verhaftung und Verurteilung zum Tod, die die staatliche Gewalt vollstreckte.

Ketzerverbrennungen und Hexenverfolgungen

Das Auftreten der Albigenser/Katharer zu Ende des 12. Jahrhunderts führte zur Verschärfung der Ketzergesetze. Papst Innozenz III. (1198 bis 1216), derselbe, der den Orden der Franziskaner bestätigt hatte, veranlasste beim 4. Laterankonzil (1215) Beschlüsse zu Inquisitionsgesetzen. Kaiser Friedrich II. (1194 bis 1250) führte Folter und ab 1224 Ketzerverbrennungen ein, was der Papst 1231 bestätigte und übernahm. Das Aufspüren und Untersuchen von Ketzereien wurde den Dominikanern übertragen. Traurige Berühmtheit erlangte der spanische Großinquisitor Thomas de Torquemada (1420 bis 1498), der nach der Eroberung Spaniens durch christliche Fürsten (Reconquista) zwangsbekehrte Juden und Muslime aufspürte, um ihnen Glaubensabweichungen nachzuweisen.

In Mitteleuropa dehnte sich die Inquisition auf die Hexenverfolgung aus. Auch Anhänger der Reformation wurden verfolgt, sie übernahmen aber zum Teil selbst Methoden der Inquisition: Im calvinistischen Genf wurde 1553 Michael Servet als Ketzer verbrannt. Erst die Aufklärung des 18. Jahrhunderts setzte der Inquisition allmählich ein Ende. In Spanien wurde die Inquisition 1834, in Italien erst 1859 abgeschafft und im Kirchenstaat bestand sie bis zu dessen Ende 1870.

„Index verbotener Bücher“ bis zum 2. Vatikanum

Die Verbrennung von Büchern von Häretikern hat eine lange Tradition, geschah schon im Gefolge von Verurteilungen der antiken Konzilien und wurde zum Beispiel auch bei der Verbrennung des Jan Hus in Konstanz (1415) vorgenommen. Die schnelle Vervielfältigung und Verbreitung von Büchern durch die Erfindung des Buchdrucks erforderte nach der Reformation neue Maßnahmen von der römischen Kirche.

1515 wurden alle Bischöfe verpflichtet, theologische Werke und Bibelkommentare einer Vorzensur zu unterziehen: Sie durften nur mit bischöflicher Erlaubnis („Imprimatur") gedruckt werden. 1559 gab Papst Paul IV. (1476 bis 1559) den Index der verbotenen Bücher“ heraus. Für solche Bücher galt sowohl Lese- wie Besitzverbot. Die Liste der verbotenen Bücher wurde laufend aktualisiert, die letzte Ausgabe stammt aus 1948 mit an die 4.000 Titel. Erst nach dem 2. Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) wurde der Index offiziell aufgehoben, doch werden von römischen Behörden nach wie vor einzelne Bücher verurteilt.

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