Lexikon der Religionen:

Mönchstum

Leben in christlicher Gemeinschaft oder in Askese

Eine Religion, die im Mittelalter das ganze damalige Europa und den Mittelmeerraum beherrschte, entfernte sich zwangsläufig von ihren Anfängen. Der Wanderprediger Jesus und die Apostel als Verkünder der Botschaft hatten kaum noch etwas mit prunkvoll residierenden Bischöfen und einem Papst zu tun, der internationale Politik machte. Auch die Christen und Christinnen in den Gemeinden waren nicht deshalb Gläubige, weil sie sich dazu entschieden hatten, sondern weil sie ins christliche Milieu hineingeboren worden waren und eine Alternative nicht denkbar war.

Ordensleute leben christliches Gegenmodell vor

Die ersten christlichen Gemeinden hatten versucht, ein Gegenmodell zur Gesellschaft zu gestalten: Im Raum ihres gemeinsamen Lebens sollten Friede, Liebe und Gütergemeinschaft herrschen. Eine Monopol-Religion, der jedermann angehört, ist nicht imstande, sich ihr eigenes Gegenmodell vorzuleben. Also übernahmen stellvertretend Ordensgemeinschaften diese Aufgabe und retteten damit einen Teil der Ansprüche der ersten Zeit in die Großkirche hinüber. In der Welt oder im Kloster zu leben war für Jahrhunderte eine ernsthafte Alternative für engagierte Christen und Christinnen.

Schwestern des Muter-Theresa-Ordens

Reuters/Jayanta Shaw

Schwestern des Mutter-Theresa-Ordens in Kalkutta beten.

Ursprünge des Mönchstums in Ägypten

Das Ursprungsland des christlichen Mönchtums ist Ägypten. Als Anachoreten (Zurückgezogene) oder Eremiten (Wüstenbewohner) zogen sich einzelne zu strenger Askese und konsequenter Weltabkehr zurück. Als einer ihrer Väter gilt Antonius (gest. 356), der sich unter dem Eindruck des Evangeliums vom reichen Jüngling (der seinen Besitz nicht aufgeben will, um Jesus nachzufolgen: Mt, 19,16 f.) zum einsamen Mönchsleben entschlossen haben soll. Antonius, der Wüstenvater, wurde schon bei Lebzeiten zum Wallfahrtsziel von Menschen, die sich bei ihm Rat holten.

Etwa zur selben Zeit stiftete der Mönchsvater Pachomius (292 bis 346) ein anderes Modell mönchischen Lebens: Die Koinobiten (in Gemeinschaft Lebende) setzten anstelle der Einsamkeit auf das Klosterleben nach strengen Regeln. Pachomius, vor seiner Bekehrung heidnischer Soldat, forderte von seinen Mönchen auf Lebenszeit Ehelosigkeit, Aufgabe jeden Privatbesitzes und strengen Gehorsam – soldatische Tugenden, die ihm Erfolg brachten: Er verwaltete schließlich elf Klöster am großen Nilbogen, die ihre handwerklichen und landwirtschaftlichen Produkte mit einer eigenen Nilflotte stromabwärts bis Alexandrien exportierten.

Persönliche Freiheit im Frauenkloster

Das Gemeinschaftsleben im Kloster setzte sich als Modell einer vollkommenen christlichen Gegengesellschaft in der Ost- und Westkirche durch. Sehr bald schlossen sich auch „Jungfrauen und Witwen“, die in der alten Kirche als eigener Stand galten, zum gemeinsamen klösterlichen Leben zusammen.

Frauenorden waren oft gleichermaßen religiöser Zufluchtsort wie Ausgedinge für unverheiratete weibliche Verwandte; sie boten aber den Frauen auch Freiheiten der Selbstentfaltung, der kulturellen, wissenschaftlichen und karitativen Arbeit, die weit über die Möglichkeiten jener Frauen hinausgingen, die unter der Vormundschaft des Vaters oder des Ehemanns leben mussten.

Benediktiner erste westliche Ordensgemeinschaft

Das Abendland, nüchterner und weniger radikal asketisch, brauchte zwei Jahrhunderte länger, um mit Benedikt von Nursia (bei Perugia, 480 bis 547) seinen ersten großen Ordensgründer hervorzubringen. Er studierte in Rom, bekam das Großstadtleben satt, war drei Jahre Eremit in einer Höhle bei Subiaco, sammelte schließlich eine Eremitengemeinde um sich, siedelte sich mit dieser um 529 auf Monte Cassino an und legte dort die Regel seines Ordens fest.

Monte Cassino ist bis heute - nach vielen Zerstörungen von den Langobarden bis zum Zweiten Weltkrieg - das älteste Kloster der Westkirche. Benedikt folgten in den nächsten Jahrhunderten neue Ordensgründer, die eine Antwort auf jeweils aktuelle kirchliche Probleme zu finden suchten.

Über 4.000 bekannte westliche Orden

Man schätzt die Zahl der abendländischen Ordensgemeinschaften bis heute (einschließlich der ausgestorbenen und aufgelösten) auf etwa 4.000. Dazu kommen die Männer- und Frauenorden in den Altorientalischen und Orthodoxen Kirchen. Orden waren über weite Strecken der christlichen Geschichte spirituelle Zentren und Kulturträger, verloren aber auch oft die spezifische Funktion, die ihre Gründung veranlasst hatte, und starben aus.

Hier nur ganz wenige Beispiele:

  • Von Klöstern gingen wichtige kirchliche Reformbewegungen aus (Benediktiner von Cluny: ab 910, clunyazensiche Reform; Benediktiner von Beuron ab 1903 und Chorherren von Klosterneuburg ab 1922: Liturgische Bewegung).
  • Zu den besonderen Aufgaben zählen die Seelsorge (Franziskaner und Kapuziner ab 1210: Stadtseelsorge),
  • das Engagement für Schule und Bildung (Jesuiten ab 1540; Ursulinen ab 1535; Schulschwestern Sacré-Cœur ab 1800),
  • Kranken- und Armenfürsorge (Barmherzige Brüder ab 1571; Barmherzige Schwestern ab 1633; Caritas socialis ab 1919)

Nur wenige evangelische Orden

Die Reformation bekämpfte die Orden unter den Gesichtspunkt, dass sich der Mensch auch mit selbstauferlegter Askese nicht aus eigener Kraft vor Gott rechtfertigen kann. Die Kritik galt auch dem ehelosen Leben, da es dem Willen des Schöpfers, sich zu vermehren, widerspreche (Gen 1). Es gibt nur wenige evangelische Gemeinschaften wie die Diakonissen oder die Bruderschaft von Taizé.

Unterschiedliche Ausrichtungen und Aufgaben

Die Aufklärung trat vor allem gegen kontemplative Klöster unter dem Gesichtspunkt an, dass die Gesellschaft vom Gebet und Fasten solcher Außenseiter keinen Nutzen habe. Mit dieser Motivation ließ der österreichische Kaiser Joseph II. nur Klöster bestehen, die wirtschaftlich, kulturell oder für die Krankenpflege nützlich waren. In späteren Diktaturen wurden Klöster überhaupt aufgelöst, weil sie als Nester politischen Widerstands galten.

Durch die Vielfalt ihrer Regeln, ihrer Lebensweise und ihrer Aufgaben deckten die Ordensgemeinschaften auch etwas vom Bedürfnis nach Pluralismus im Rahmen einer Monopol-Religion ab. Die Stellvertreter-Funktion der Klöster wird daraus deutlich, dass vor allem solche Christen, die nicht im Kloster lebten, Kleriker wie Laien, es als besonders gottgefälligen Akt ansahen, ein Kloster zu stiften und auszustatten. Was als Anspruch aus dem Evangelium auch in einer Monopol-Kirche nicht abzustreiten war, wurde Mönchen und Nonnen freilich auch zugeschoben, um die „Normalchristen“ in ihren durchschnittlichen Pfarrgemeinden davon zu entlasten.

Übersichtsartikel zum Christentum

ORF-TVthek-Medienarchiv Christentum:

Siehe dazu auch im ORF-Religionslexikon: