Hosianna

„Hosianna!“ Wie gern jubelt die Menge einem Messias zu. Damals wir heute. In Zeiten von Unsicherheit, in denen die Zahl der Verlierer steigt, wächst regelmäßig die Sehnsucht nach einem starken Mann, der mit magischen Kräften die Welt wieder ins rechte Lot bringt.

Zwischenruf 9.4.2017 zum Nachhören:

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Nein: Nicht gleich die ganze Welt. Sondern nur nach einem, der zumindest das eigene Land wieder in eine Insel der Seligen verwandeln kann. Sobald sich irgendwo ein solcher Messias abzuzeichnen beginnt, traut man ihm alles zu. Und schaut über seine diversen Allüren und seine sonstigen menschlichen Defizite großzügig hinweg.

Hermann Miklas
ist Superintendent der evangelisch-lutherischen Diözese Steiermark

Tiefer Fall

Jesus aus Nazareth schien sich für solche Projektionen und Wunschvorstellungen geradezu anzubieten. Was hatte man nicht schon alles Tolles von ihm gehört! Dass er dann nur auf einem armseligen Esel durch die Stadttore von Jerusalem geritten ist, hätte die Menschen eigentlich stutzig machen müssen. Aber was solls? Er ist eben ein Star! Ein Held! Und der, der unser Land bald wieder von der römischen Fremdherrschaft befreien wird, der darf sich auch Skurriles erlauben. Die Begeisterung hat keine Grenzen mehr gekannt: „Hosianna du Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!“

Zwischenruf
Sonntag, 9.4.2017, 6.55 Uhr, Ö1

Wir wissen, wie die Geschichte weiter gegangen ist. Nur fünf Tage später hat das Volk der Stadt – vor Pilatus – genauso frenetisch gefordert: „Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!“

Nun – das ist nichts Ungewöhnliches. Ähnliches hat sich im Lauf der Geschichte noch öfter abgespielt. Bis hinauf in unsere Tage. Die meisten Messiasse sind übrigens an ihrer krankhaften Selbst-Übersteigerung gescheitert. Und ihr Fall war jedes Mal tief.

Hochkonjunktur der Messiasse

Zurzeit allerdings scheinen Messiasse gerade wieder Hochkonjunktur zu haben. Wie lang wird es dauern, bis auch sie entzaubert sind? Noch jubeln ihnen viele Menschen zu. Doch ihr Fall könnte ebenso tief werden wie der ihrer Vorgänger. Und es ist zu befürchten, dass sie dabei gleich ihre Völker ein Stück weit mit in den Abgrund ziehen.

Bei Jesus war es genau umgekehrt. Er ist an seiner Verweigerung von irdischer Macht gescheitert. Er wollte gar keine politische Revolution herbeiführen. Vielmehr wollte er sich mit den Verlierern dieser Welt auf ganz andere Weise solidarisch erklären – mit den Entrechteten, den Verachteten, den Kranken und Entstellten, ja sogar mit denen, die durch ihre eigene Schuld ins Abseits geraten sind…

Der Esel ist bereits das passende Symbol dazu gewesen. Erst einmal mit den Verlierern ein Verlierer sein. Um von dort aus dann – mit Gottes Hilfe – überwindende Kraft für alle zu entwickeln, das war sein Programm. So gesehen war das „Kreuzige ihn“ dichter bei seiner Mission als vorher das „Hosianna“.

Messiasse ohne ein Mindestmaß an Bescheidenheit werden unsere Welt nicht retten. Seine Demut aber hat sich letztlich als stärker erwiesen als so manche Kraftmeierei. Darum hat er schließlich auch glaubwürdig sagen können: „In der Welt habt ihr Angst. Aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“