Freiheit und Verantwortung

Endlich Sommer! Endlich Urlaub! Die Zeit, in der man die Seele einmal so richtig baumeln lassen kann, ist in greifbare Nähe gerückt. Haben Sie auch schon eine Stricherl-Liste gemacht, wie viele Tage es noch sind bis zum Wegfahren?

Zwischenruf 2.7.2017 zum Nachhören:

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Neben der Arbeit auch ausreichend Zeit zur Regeneration zu haben, das ist ja geradezu ein Menschenrecht! Schon die Bibel kennt die notwendigen Ruhepausen: unverplante Zeit ohne fixe Termine, ohne Verpflichtungen, Zeit für Muße, für Verrücktes und Spontanes…

Hermann Miklas
ist evangelisch-lutherischer Superintendent der Steiermark

Lebensqualität durch Tapetenwechsel

Das Wort Ur-laub leitet sich ursprünglich ausdrücklich von Er-laubnis ab. Und wer meint, auf einen solchen Freiraum verzichten zu können (oder zu müssen), bekommt früher oder später unweigerlich die Rechnung dafür präsentiert. Längst ist es ja auch wissenschaftlich erwiesen, dass man mit angemessener Freizeit letztlich sogar produktiver und kreativer arbeitet als ohne.

Auch der Tapetenwechsel spielt dabei eine wichtige Rolle. Mit großem Interesse habe ich registriert, dass selbst Behinderteneinrichtungen zunehmend dazu übergehen, Langzeit-Bettlägerigen ein- bis zweimal im Jahr einen „Urlaub“ zu gönnen in anderer Umgebung. Und wenn‘s nur im Nachbarort ist. Aber der Ortswechsel macht eben auch für sie einen enormen Unterschied in der Lebensqualität.

Notwendige Dinge

Aber heißt „frei sein von Verpflichtungen“ auch frei zu sein von den üblichen ethischen Standards? Ist im Ur-laub alles er-laubt? Brauche ich mich in den Ferien nicht um den Schutz der Umwelt zu kümmern? Zählt ein Seitensprung im Urlaub weniger? Kann es mir egal sein, ob in meinem Urlaubsland (abseits der Touristenparadiese) Menschenrechte mit Füßen getreten werden? Kann ich unbekümmert baden gehen, wo nur ein paar Kilometer weiter die Leichen von auf der Flucht ertrunkenen Menschen im Meer herumtreiben?

Zwischenruf
Sonntag, 2.7.2017, 6.55 Uhr, Ö1

Keine Sorge, ich möchte hier nicht die Rolle eines kleinlichen Spaßverderbers einnehmen. Bis zu einem gewissen Grad gelten für den Urlaub tatsächlich andere Regeln als für den normalen Alltag. Denn zum Genießen gehört auch das Über-Flüssige, das Zwecklose… das, was sich nicht „rechnet“, das eine oder andere kleine „Extra“ also. Und dass man dabei nicht jeden Cent umdrehen muss. Schließlich kann das Leben nicht nur aus Notwendigem und Nützlichem bestehen. Ein Leben ganz ohne Blumen, ohne Farben, ohne Musik, ohne Lächeln, ohne ein bisschen Verrücktes, ohne Liebe, ohne Sport oder ohne Spaß… – es wäre ein armes Leben! Und all diese – an sich nicht unbedingt „notwendigen“, aber doch so herrlichen – Dinge, sie dürfen gerne auch etwas kosten!

Freiheit und Verantwortung

Trotzdem gibt es bei alledem eine feine Grenze. Wenn sie überschritten wird, wird die Freude bald schal, das kleine Extra bekommt den Geschmack von angeberischen Luxus und der prickelnde Hauch des ein bisschen Verbotenen kippt endgültig ins Unmoralische… Sie ist nicht sichtbar und sie ist auch nirgendwo amtlich definiert, diese Grenze. Sie will – und sie muss – vielmehr immer wieder neu ausgelotet werden.

Die Evangelische Kirche in Österreich hat als Motto für das Reformationsjubiläum 2017 das Begriffspaar „Freiheit und Verantwortung“ gewählt. Und genau darum geht es auch im Urlaub: Die uns geschenkte Freiheit voll auszukosten, ohne dabei die notwendige Verantwortung je aus den Augen zu verlieren. Ich möchte diese spannende Gratwanderung sportlich nehmen. Und ich sehe sie als meine ganz persönliche Herausforderung an für meinen Urlaub im 500. Jahr des Gedenkens an die Reformation.