Im Exil

„Sulmo heißt meine Heimat, gesegnet mit kalten Gewässern: neunmal zehntausend Schritt liegt sie entfernt von der Stadt“, so steht es in Ovids „Tristia“, jenen elegischen Gedichten, die das Genre der Exilliteratur begründen.

Gedanken für den Tag 17.10.2017 zum Nachhören:

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Mit der Stadt meint er das schmerzlich vermisste Rom, denn er erzählt bereits rückblickend von seinem Verbannungsort aus. Dabei ist er ganz Dichter seiner Zeit, stellt sich in jene literarische Tradition, die auf einer strikten Trennung von Leben und Kunst beruht. An einer Stelle sagt er: „Glaube mir, verschieden ist mein Wesen von meinem Gedicht (…) Und ein großer Teil meiner Werke ist unwahr und erfunden und hat sich mehr herausgenommen als ihr Verfasser.“

Christoph W. Bauer
ist Schriftsteller

Die beste Biografie

Die beste Biografie ist die erfundene, oder anders zu sprechen, ein Dichter ist hier am Werk, einer, der in seine letzte Rolle schlüpft, in der sich freilich die reale Situation eines Schreibenden im Exil widerspiegelt. Nun erfahren wir, dass er dreimal verheiratet war und eine Tochter aus zweiter sowie eine Stieftochter aus dritter Ehe hatte, sein Bruder sei ihm sehr nahe gestanden, doch früh verstorben. Die eigene Autobiografie erstellt Ovid, gibt so manche Schnurre zum Besten, und schon glauben wir, viel über ihn zu wissen.

Fest steht nur: Ovid wurde 43. v. Chr. in Sulmo, dem heutigen Sulmona, in den Abruzzen geboren. Er entstammt einer wohlhabenden Familie, übersiedelt als Jugendlicher nach Rom und kann es sich leisten, im Alter von 20 Jahren als Privatier zu existieren. Rasch macht er als Dichter von sich reden, im Jahr 8 nach Chr. wird er aus ungeklärten Gründen nach Tomi, ins heutige rumänische Constanta am Schwarzen Meer verbannt. Dort stirbt er im Jahr 17.

Dass auch sein Exil nur fake sei, ein reiner Marketing-Gag, wie manche Wissenschaftler gegenwärtig behaupten, sagt es nicht viel über unsere Zeit aus?

Buchhinweise:

  • Christoph W. Bauer, „Das zweite Auge von Florenz. Zu Leben und Werk von Guido Cavalcanti“, Verlag Das Wunderhorn
  • Christoph W. Bauer, „stromern. Gedichte“, Haymon Verlag
  • Christoph W. Bauer, „In einer Bar unter dem Meer. Erzählungen“, Haymon Verlag

Musik:

Klaus Nomi: „You don’t own me“ von Jay Madara und D. White
Label: CD bmg RCA ND74420