Barbara - Riten im Advent

Kaum sind Blanca, Bibiane und Gerlinde vorbei, sollte ich schon als Barbara im Turm die ‚Wilde’, die Barbarin unter den heiligen Madln geben, so ist es.

Gedanken für den Tag 4.12.2017 zum Nachhören:

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Meine Zweige müssen unter Schweigen am Vorabend des Barbaratags, also gestern, geschnitten worden sein (als Grundlage für ein verlässliches Orakel), und Namensschildchen können von den Kindern an die Kirschzweige gehängt werden, für jedes Familienmitglied eines, die Blüten sollten bis Weihnachten, spätestens Silvester aufgegangen sein, dann haben die Wünsche noch ausreichend Zeit und Gelegenheit, ab Neujahr und in der Folge in Erfüllung zu gehen.

Bodo Hell
ist Schriftsteller

Dramatisches Ende

Ich trage den Hostienkelch und/oder den Turm en miniature mit mir, ich kann angerufen werden für eine gute Sterbestunde, für die Erlösung der Armen Seelen, für die Sicherheit der Bergleute, vor allem für die Mineure im vordersten Stollenloch, aber auch für Architekten, die hoch hinauswollen und für die Artillerie (wobei der jüngste Artillerieoffizier der Einheit an meinem Gedenktag - also heute! - als Darsteller in die Barbara-Rolle, nämlich die der Berg- und Kanonenpatronin herself, schlüpfen darf).

Eine kleinere Barbara-Reliquie wird im Eibinger Reliquienschatz verwahrt, welchen Hildegard von Bingen zusammengetragen hat (wobei die Frage vorerst einmal ausgeblendet werden kann, ob mein Überbleibsel den Weg von Disibodenberg über Bingen und ans andere Rheinufer nach Eibingen genommen hat oder woher so ein einzelnes Heiltum stammt, respektive von wem es erworben wurde), und ob mich mein Vater Dioscuros zur Abschirmung oder aus Eifersucht in diesen eigens hiefür gebauten Turm gesperrt hat, auch diese Frage muss offen bleiben, geschlossen bis auf zwei Fenster war das Rundgebäude allemal, worauf ich eine dritte Öffnung (zur Komplettierung der Dreifaltigkeit) habe ausbrechen lassen, und nachdem ich aus dem Turmgefängnis (vorerst unbemerkt) entkommen war und vor dem mörderischen Erzeuger und den Verfolgern in eine sich augenblicklich öffnende Felsspalte fliehen konnte, hat mich ein Hirte verraten (wer weiß, welchen Schandlohn erhoffend), aber er ist daraufhin selbst in einen Stein und seine Herde in Heuschrecken verwandelt worden.

Haut zerfetzen, mit Keulen schlagen, anders foltern, vom eigenen Vater enthauptet werden: So meint der Volksmund der Legende das Ende meines irdischen Lebens sadistisch dramatisch/dramatisch sadistisch zuspitzen zu müssen?

Buchhinweis:

Bodo Hell, „Ritus und Rita“, Droschl Verlag

Musik:

„Quartett in C“ von Anton Bruhin, Bodo Hell, Michel Mettler und Peter Weber
Label: Urs Engeler Editor