Das schöne Land

Es gibt, nachdem in der Mappe meines Urgroßvaters von Adalbert Stifter ein Satz lautete: „In Weite und Breite ging das schöne Land von mir hinaus“,...

Gedanken für den Tag 24.1.2018 zum Nachhören:

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...einen folgenden, der, was da hinausgeht, in ein Sehen übersetzt, wenn es heißt: „Nicht nur sah ich im Mittage und Abende die blauen und immer blaueren Bänder des großen Waldes am Himmel dahin gehen, sondern in Morgen und Mitternacht sah ich Hügel und Lehnen und Ebenen und Felder und Wiesen und Wäldchen und Gehöfte und Dörfer und Ortschaften und Silberspiegel von Teichen im Dufte dahin ziehen, bis wo etwa die Gefilde der Stadt Prag sein mochten.“

Michael Donhauser
ist Schriftsteller

Zweifaches Sehen

Der Einsatz mit einer Negation, einem Nicht-nur-sah-ich, unterwirft das Sehen gleich anfangs einer Einschränkung, die in der Folge durch noch einmal ein Sah-ich aufgehoben wird, wobei das zweite Sehen das erste nicht nur richtungsmäßig zu einem vollumfänglichen ergänzt. Denn das erste Sehen ist eines einer Ganzheit als Wald, die zwar in sich differenziert wird, doch letztlich als immer blauere Bänder nur gesteigert in ihrer Bläue am Himmel dahingeht. Das zweite Sehen dagegen setzt sich aus Einzelnem zusammen, das im Dufte dahinzieht, und es gehorcht nicht einer Steigerung, sondern einer Aufzählung, die nicht einfach Aufzählung ist.

Denn was sich da aneinanderreiht, reimt, und reimend verweisen die Dinge aufeinander und nicht so sehr als Teile auf ein Ganzes. Sie ziehen dahin als Hügel wie Lehnen, Ebenen wie Felder, Wiesen wie Wäldchen, Gehöfte wie Dörfer. Das Sehen ist so ein zweifaches, das als zweifaches nicht gleichzeitig sein kann, es ist eines einer Ganzheit als Wald und eines, das Einzelnes nicht zu einer Ganzheit, doch reimend verbindet. Gemeinsam ist beiden Sehen das Dahin, das Gehen und Ziehen dahin, so als wäre das eine wie das andere Sehen ermöglicht allein durch eine Hingabe an eine Sprache, die das Dahin in ihre eigene Bewegtheit übersetzt.

Buchhinweis:

Michael Donhauser, „Waldwand“, Verlag Matthes & Seitz

Musik:

John Steele Ritter/Cembalo, Jean Pierre Rampal/Flöte und Isaac Stern/Violine: „La Timide: Premier Rondeau gracieux; Deuxieme Rondeau gr.-2.S.“ aus: „Suite Nr. 3 in A-Dur / Troisieme Concert“ von Jean Philippe Rameau
Label: Sony SK 45868