Die fünfte Jahreszeit

Fasching, Fastnacht oder Karneval – die fünfte Jahreszeit hat je nach Region unterschiedliche Namen. In diesen Tagen jedenfalls befindet sich das närrische Treiben auf seinem Höhepunkt.

Zwischenruf 11.2.2018 zum Nachhören:

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In den Hochburgen des Karneval im Rheinland oder beim österreichischen Pendant, dem Villacher Fasching, geht außer feiern gar nichts mehr. Die öffentlichen Ämter sind zu, die Macht ist an die Narren abgegeben worden. Es herrscht ein ausgelassen fröhlicher Ausnahmezustand.

Olivier Dantine
ist evangelisch-lutherischer Superintendent der Diözese Salzburg-Tirol

Dunkle Seite des Fasching

Kurz vor der Fastenzeit mit ihren strengen Regeln nicht nur noch einmal über die Stränge zu schlagen, sondern gerade kirchliche Würdenträger zu verspotten, darin liegt einer der Ursprünge für Fasching und Karneval. Aber auch weltliche Machthaber bekamen ihr Fett weg. Das ist auch heute noch in den närrischen Hochburgen zu sehen: Fantasieuniformen und Paraden verballhornen alles militärische Getue; in Spottreden, Sketches und Liedern werden Politikerinnen und Politiker oder andere gesellschaftlich hochstehende Personen aufs Korn genommen. Auch die Umzugswagen mit ihren Figuren sparen nicht mit derbem Hohn über diejenigen, die im übrigen Jahr das Sagen haben.

Zwischenruf
Sonntag, 11.2.2018, 6.55 Uhr, Ö1

In der Geschichte des Karneval und des Fasching gibt es aber eine dunkle, menschenverachtende Seite. Die Nationalsozialisten nutzten den Karneval für ihre Propaganda. Karnevals- und Faschingsvereine ließen sich auch in diesem Sinn instrumentalisieren, und beteiligten sich an antisemitischen Angriffen. So stellte etwa der Rosenmontagszug in Nürnberg im Jahr 1938 einen am Galgen baumelnden Juden dar. Antisemitische Motivwagen und Verkleidungen, im Stil der Karikaturen des „Stürmers“, einem Nazi-Hetzblatt, waren in der NS-Zeit gang und gäbe. Auch in Faschingsveranstaltungen in österreichischen Städten wurde gegen Juden gehetzt.

Vorgeschmack auf Gottes neue Welt

Viele Karnevals- und Faschingsvereine haben inzwischen diese Vergangenheit aufgearbeitet. Eine Lehre, die aus dieser Geschichte zu ziehen ist, ist wie aus Spott und Satire ein menschenverachtendes Instrument wird, nämlich dann, wenn sich nicht die Machtlosen über die Herrschenden lustig machen, sondern die Machthaber die von ihnen Verfolgten auch noch mit Spott überziehen. Satire zeigt hier ihr unmenschliches Gesicht. Dass diese Art der Menschenverachtung in unserem Land auch noch im 21. Jahrhundert zu finden ist, wenn Neonazis in Liedern Opfer des Holocaust verhöhnen, ist bestürzend.

Und dennoch oder gerade deswegen: Karneval und Fasching ist auch die Zeit, dem Unrecht und der Menschenverachtung ins Gesicht zu lachen. Nicht, weil verharmlost werden soll, welch üble Folgen die Menschenverachtung hat, sondern weil das Lachen dem Bösen seine Macht nimmt. Das närrische Treiben in diesen Tagen unterbricht nicht nur den Alltag; der Fasching lässt eine andere Wirklichkeit in unsere Realität einbrechen. Eine Wirklichkeit, in der die Verhältnisse sich umkehren. Wer mächtig ist, hat nichts zu melden, die Narren übernehmen das Kommando. Missgunst und Habgier, Konkurrenzkampf und Verachtung treten völlig hinter die fröhliche Ausgelassenheit. Unter den Verkleidungen treten die Unterschiede zwischen hohem und niedrigem gesellschaftlichen Status zurück.

Das ist das Christliche am Karneval und Fasching. Denn auch im christlichen Glauben geht es um den Einbruch einer neuen, ganz anderen Wirklichkeit in diese von Unrecht und Leid geprägte Welt. Es ist Gottes neue Welt, auf die wir hoffen, und die Fröhlichkeit in diesen Tagen ist vielleicht schon ein Vorgeschmack darauf.