Kreuz und Auferstehung

Am heutigen Karfreitag gedenkt man im westlichen Christentum der Kreuzigung Jesu.

Gedanken für den Tag 30.3.2018 zum Nachhören:

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Der im vergangenen Jahr 96-jährig verstorbene jüdische Maler Jossel Bergner setzte sich in mehreren seiner Gemälde mit dem Thema der Kreuzigung auseinander. Auf einem Bild mit dem Titel „View from above“ (Mar‘eh le‘ ma’alah) von 1971 sieht man drei Kreuze auf einer Anhöhe. An den Kreuzen hängen jedoch keine Menschen, sondern Küchenreiben. Die mittlere trägt ein Tuch um ihre Mitte. In „After the Show“ sieht man das Tuch um den Kreuzesstamm gewickelt. Das Reibeisen ist weg. Auf dem Bild „Messenger“ – aus dem Jahr 1972 – ist der Holzstamm gebrochen und fliegt mit der Küchenreibe davon.

Rauheit und Verletzungsgefahr

Hier wird Auferstehung auf eine ganz eigene und faszinierende Weise präsent. Mich hat stets begeistert, dass Bergner mit dem Reibeisen einen häufig verwendeten Gebrauchsgegenstand als Symbol für den und die Menschen am Kreuz wählt, dessen Äußeres nicht weich und angenehm ist, sondern nur mit Vorsicht angegriffen werden kann und schnell zu Verletzungen führt. Kaum ein anderer Alltagsgegenstand ist so sehr Sinnbild von Rauheit und Verletzungsgefahr und steht gleichzeitig für die Verletzlichkeit des Menschen schlechthin.

Gerhard Langer
ist katholischer Theologe und Judaist

Aber da ist noch ein anderes Bild, das mich gleich in seinen Bann gezogen hat. In dem Gemälde „The Gossip“ sieht man das gekreuzigte Reibeisen in einen Bilderrahmen gebannt, vor dem Gefäße stehen, deren Öffnungen ein höhnisches Lächeln andeuten. Der Gekreuzigte verkommt zum Gespött, wird ausgelacht, aber auch in einen Rahmen gepresst, in ein Bild fixiert. Damit könnte die christliche Lehre und Theologie gemeint sein, welche die lebendige Botschaft vom Juden Jesus, eine spröde Botschaft, die sich mit unseren Alltagsvorstellungen und Einstellungen nur allzu oft reibt, in ein bequemes und ritualisiertes Gehäuse gesperrt hat.

Aber nicht nur Küchenreiben dienen Bergner dazu, Kreuzigung und Auferstehung darzustellen. Auch der elegante Damenschuh steht immer wieder im Mittelpunkt. Er kann am Kreuz hängen oder – mit Nägeln versehen – sich in die Lüfte erheben oder aber Grünes aus sich herauswachsen lassen. Stellt das Reibeisen eines der nützlichsten und gebräuchlichsten Alltagsgegenstände und somit den Menschen in seinen Mühen und seiner Verletzbarkeit dar, so ist der elegante Schuh Inbegriff des oft teuer erworbenen alltäglichen Luxus, in dem sich wie in kaum einem anderen Kleidungsstück ein Statement zur eigenen Identität verbirgt. Auf diese Weise werden Kreuzigung und Auferstehung zu ganz persönlichen Erfahrungen, zum Sinnbild des eigenen Lebens, Leidens, Liebens und Hoffens.

Musik:

London Symphony Orchestra unter der Leitung von Claudio Abbado: „Andante con moto, Allegro ma un poco agitato - 1. Satz“ aus: „Symphonie Nr. 3 in a-moll op. 56“ von Felix Mendelssohn Bartholdy
Label: DG 4153532