Ostern und sozialer Frühling

Das gute Leben für alle. Es ist kein frommer Wunsch, kein flüchtiger Traum. Es ist auch nicht von Saisonen wie dem Frühling oder vom Wetter abhängig. Das gute Leben für alle ist eine realistische Möglichkeit, für die sich der Einsatz lohnt.

Zwischenruf 1.4.2018 zum Nachhören:

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Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.

Michael Bünker
ist Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich

So beginnt der Osterspaziergang in Goethes Faust. Die Auferstehung Jesu wird mit dem erwachenden Frühling verbunden und beides mit dem Erwachen, dem Auferstehen der Menschen. Da heißt es:

Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
denn sie sind selber auferstanden.

Der Gegenwärtige und der Zukünftige

Das ist ein reizvoller Gedanke. Ostern lässt sich nicht auf ein Frühlingsfest reduzieren, so sehr ich mich auch über den Frühling freuen mag. Es geht vielmehr um das konkrete Leben der Menschen. Zuerst einmal um das konkrete Leben eines ganz bestimmten Menschen, nämlich des Jesus von Nazareth. Mit der Auferweckung bestätigt Gott das Leben, das Handeln und Reden dieses Jesus. Die Evangelien berichten von seinem gewaltlosen Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden, von der Überwindung des Bösen und Heilung von Kranken, von seinem Kampf gegen Hunger und Elend und für Nächsten- und Feindesliebe sowie seinem Ruf in eine Gemeinschaft, in der niemand abgewertet und ausgeschlossen ist.

Zwischenruf
Sonntag, 1.4.2018, 6.55 Uhr, Ö1

Über all das, was Jesus gelebt hat, sprechen die Machthaber ihr Nein. Jesus stirbt am Kreuz. Doch wo die Welt Nein sagt, sagt Gott Ja und ruft Jesus lebend in Erinnerung. Jesus ist nicht nur eine große Gestalt der Geschichte, an die sich Christinnen und Christen – und nicht nur sie! – erinnern. Durch die Auferweckung ist Jesus der Gegenwärtige und der Zukünftige. Was er gelebt hat, bestimmt Christinnen und Christen hier und heute. Was er gelebt hat, ist für sie die Vision für die Zukunft. Er ist der erste; die ganze Schöpfung wird durch ihn und mit ihm hineingenommen in das ewige Leben Gottes, in das wahre Leben, in das gute Leben für alle.

Das gute Leben für alle

Mit dieser Osterverheißung erlaube ich mir einen Blick auf die Budgetpläne unserer Regierung. Nach Berechnungen von Experten und Expertinnen kommt dabei das unterste Einkommensviertel der Bevölkerung zu kurz. Es entsteht der Eindruck, dass die Mehrausgaben vor allem denen zugute kommen, denen es ohnehin im Vergleich besser geht. Finanziert werden soll all das gerade durch Einsparungen bei den Geringverdienenden und bei denen, die gezielte Förderung am dringendsten brauchen. Das sind Asylberechtigte, ältere Langzeitarbeitslose, alleinerziehende Frauen, 24-Stunden-Pflegerinnen.

Die Caritas hat schon im Vorfeld gewarnt: Kein Sparen auf Kosten der Schwächsten. Und weiter wörtlich: „Kinder- und Altersarmut müssen sinken und dürfen nicht steigen. Unsere Bundesregierung muss alle Menschen in unserem Land vertreten – auch die kleinen Leute, die keine Lobby haben!“ Soweit die Caritas. Aus meiner Sicht ist es unverständlich, wieso gerade die, die ohnehin schon mit dem täglichen Auskommen zu kämpfen haben, nicht verstärkt unterstützt werden, wenn es so gute Konjunkturwerte gibt wie jetzt. Sollte nicht auch Nächstenliebe und gesellschaftlicher Zusammenhalt Konjunktur haben?

Das gute Leben für alle. Es ist kein frommer Wunsch, kein flüchtiger Traum. Es ist auch nicht von Saisonen wie dem Frühling oder vom Wetter abhängig. Das gute Leben für alle ist eine realistische Möglichkeit, für die sich der Einsatz lohnt. Ostern ist für mich die Bestätigung: Dieser Einsatz ist sinnvoll und nicht vergeblich.