Haarspende

Die sogenannte Jugend von heute… wer hätte sich nicht schon einmal über ihr Verhalten amüsiert oder sogar empört. Freilich – nicht immer kennt man den Hintergrund für eine bestimmte Verhaltensweise – mitunter erlebt man, wenn man nachfragt, eine Überraschung.

Morgengedanken 22.4.2018 zum Nachhören:

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Vor ein paar Wochen saß eine Schülerin in meinem Religionsunterricht mit Kapperl drin. Irgendwann hat sie es abgesetzt und ihre kurz geschorenen Haare gezeigt. Einen Tag davor hatte sie noch lange Haare gehabt. Auf meine Frage zu den kurzen Haaren: „Wie kommt´s?“, hat sie mit ihren 11 Jahren lässig geantwortet: „Eine Freundin und ich haben uns gestern Nachmittag die Haare abgeschnitten und in ein Kuvert gesteckt, Marke drauf und abgeschickt.“ Aus ihrer Haarspende werden Perücken für Kinder gefertigt, die wegen einer Erkrankung oder durch eine medizinische Behandlung ihre eigenen Haare verlieren. „Meine wachsen ja wieder nach.“

Harald Kluge
ist Pfarrer der Reformierten Stadtkirche Wien

Seine Haare zu spenden wird als religiöses Ritual heute noch in Indien gepflegt. Frauen lassen sich im Tempel die Haare abscheren und opfern sie den Göttern für Gesundheit, Glück und Erfolg. Die Priester haben diese Haarberge längst als lukratives Geschäft entdeckt und über die Haarmetropole Chennai gelangen diese robusten und feinen Haare indischer Frauen bis in die Modemetropolen Madrid, Paris, Rom und New York. Reich werden davon die Konzerne.

Mein Friseur meinte dazu: Mehr gebracht hätte es, wenn die elfjährigen Mädels ein- zweimal auf den Friseur verzichtet hätten und diese 120 EUR gespendet hätten. Ich weiß gar nicht, ob sie ihre Eltern zuvor gefragt haben, aber ich wäre stolz, wenn meine Töchter einmal von selbst auf so eine Idee kommen würden.