Vom guten und vom schlechten Zweifel

Im schönsten Schwung sein, mit Begeisterung etwas tun, im vollen Gefühl von Gelingen und Richtigkeit – da aber stellt jemand die Frage: Kann das wahr sein? Das sind erschreckende Momente, wenn man nicht darauf gefasst ist.

Gedanken für den Tag 18.5.2018 zum Nachhören:

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So geht es dem jungen Mann in Ingeborg Bachmanns Erzählung „Das dreißigste Jahr“, „als er einem Problem der Erkenntnis nachging, und alle Begriffe locker und handlich in seinem Kopf lagen.“ Bachmann beschreibt, wie er dachte und dachte und wie er auf einer Schaukel hoch und höher flog ohne Schwindelgefühl. Aber: „Da geschah es.“ Bachmanns Worte wieder: „Da traf und rührte ihn ein Schlag /.../, ein Schmerz entstand, der ihn ablassen hieß, er verlangsamte sein Denken, verwirrte sich und sprang von der Schaukel ab.“

Ingrid Pfeiffer
ist Autorin und Kunsthistorikerin

Den Zweifel mögen

Mangelndes Vertrauen, das ist der Zweifel. Wie in Bachmanns Erzählung kann er aus einem selbst kommen. In der Pfingsterzählung sind es die anderen, die fragen: Kann das wahr sein? Mehr noch, sie behaupten: Das kann nicht wahr sein! Sie werden Zeugen von einem Übermaß an Gelingen, das sich vor ihren Augen und unerwartet inmitten des Erwartbaren vollzieht.

Doch andererseits: Den Zweifel mögen? Trotz allem den Zweifel mögen? Ich bestehe darauf – gerade weil ich mich selbst immer wieder dazu überreden muss. Es ist ja nicht leicht, zu mögen, was einen bremst und im schönsten Schwung in Frage stellt. Da habe ich ihn aber bereits erlebt, den Schwung, und darf mich darauf berufen. Denken dürfen, sprechen dürfen, schließlich fragen dürfen und mich fragen lassen nach dem, was für mich wahr ist. Vielleicht geht es also gerade in diesem Moment des Zögerns und der Fragwürdigkeit mit rechten Dingen zu.

Musik:

Maurizio Pollini/Klavier: „Etüde op. 10 Nr. 3 in E-Dur für Klavier: Lento ma non troppo“ aus: „Zwölf Etüden für Klavier op. 10“ von Frederic Chopin
Label: DG 4137942