Mohammed-Grab: Zerstörung könnte Muslime spalten

Eine der meistverehrten heiligen Stätten des Islam, das Grab des Propheten Mohammed in Medina, könnte einem Zeitungsbericht zufolge zerstört werden. Das könnte in der islamischen Welt zu schweren Konflikten führen.

Wie die britische Zeitung „The Independent“ (Onlineausgabe) am Montag berichtete, existierten Pläne, wonach die Überreste des im Jahr 632 gestorbenen Propheten aus ihrer derzeitigen Ruhestätte unterhalb der Prophetenmoschee (Al-Masdschid an-Nabawi) in Medina entfernt und in ein anonymes Grab gebracht werden könnten.

Muslimische Männer beten vor dem Grab des Propheten Mohammed in der Prophetenmoschee in Medina

Reuters/Amr Abdallah Dalsh

Muslimische Männer vor dem Grab Mohammeds in der Prophetenmoschee

Diese umstrittenen Vorschläge entstammten einem Dokument, das unter den für die Moschee zuständigen Personen zirkuliere, so die Zeitung. Das Sitzungsdokument komme von einem „führenden saudi-arabischen Wissenschaftler“. Die Pläne seien von einem anderen Akademiker aus Saudi-Arabien ans Licht gebracht worden, der zuvor bereits die Zerstörung heiliger Plätze in Mekka, dem für Muslime heiligsten Ort, enthüllt und kritisiert hatte, heißt es in dem Artikel.

Soll der Leichnam auf den Friedhof?

Darin werde die Zerstörung einiger Kammern rund um das Prophetengrab verlangt - diese sind Gegenstand der Verehrung besonders durch schiitische Muslime. Weiters soll in dem 61-seitigen Dokument die Überführung von Mohammeds Leichnam auf den nahe gelegenen Al-Baki-Friedhof vorgesehen sein. Dort würden die sterblichen Überreste des Propheten anonym beerdigt werden. Mehrere Mitglieder der Familie Mohammeds sind dort bereits begraben.

Die Prophetenmoschee

Unter der grünen Kuppel der Prophetenmoschee befindet sich das Grab Mohammeds. Sie gehört zu den größten Sakralbauten der Welt. Die ursprüngliche Moschee wurde bereits zu Lebzeiten des Propheten vergrößert und im Lauf ihrer Geschichte immer wieder erweitert, zuletzt unter König Fahd (1923-2005).

Ob es bereits Entscheidungen hinsichtlich dieser Pläne gebe, sei unklar, so der „Independent“. Die saudi-arabische Regierung hatte in der Vergangenheit versichert, jegliche Änderung an den heiligsten Stätten des Islam würde „mit allergrößter Ernsthaftigkeit“ behandelt. Für Irfan al-Alawi, Direktor der Islamic Heritage Research Foundation in Mekka, die sich der Pflege islamischer Tradition widmet, bergen diese Pläne großes Konfliktpotenzial, wie er dem „Independent“ sagte. Es bestehe die Gefahr, „sektiererische Spannungen“ zwischen den beiden Strömungen des Islam, der sunnitischen und der schiitischen, anzufachen - Spanungen, die ohnehin durch die Konflikte in Syrien und im Irak gefährlich stark seien, so Alawi.

Hardliner gegen „Götzendienst“

Hardliner unter Saudi-Arabiens Geistlichen predigen seit langem, dass die strenge Auslegung der wahhabitischen Interpretation des Islam, einer sunnitischen Strömung, die in Saudi-Arabien Staatsreligion ist, die Verehrung von Gegenständen und „Heiligen“ als „Götzendienst“ (arabisch: Schirk) verbietet. Als solche wird auch die Verehrung des Prophetengrabs betrachtet.

Prophetenmoschee in Medina

Reuters/Amr Abdallah Dalsh

Moschee Al-Masdschid an-Nabawi in Medina, Saudi-Arabien

Tausende gläubige Muslime pilgern jedes Jahr zur Grabstelle und den umliegenden Räumen, in denen Mohammeds Familie gelebt haben soll, um dort zu beten. Das wolle man nun durch die Verlagerung des Propheten in ein anonymes Grab auf einen Friedhof verhindern, vermutet Alawi. „Der Prophet wäre anonym“, sagte er dem „Independent“ weiter. „Alles rund um die Moschee ist bereits zerstört worden. Sie ist von Bulldozern umringt“, so Alawi. Der zuständige Imam werde vermutlich argumentieren, dass ein solches Vorgehen notwendig sei, um die Moschee zu vergrößern und mehr Platz für die Pilger zu schaffen, „während die Augen der Welt auf den Irak und Syrien gerichtete sind“, fürchtet der Experte.

Kulturerbe in Gefahr

Im Zuge der drohenden Vernichtung des Prophetengrabs wären auch diese umliegenden Räume, die mit alten Kalligrafien geschmückt sind, und sogar die grüne Kuppel selbst in Gefahr, warnt der Experte. Auch die Gräber der beiden ersten Kalifen Abu Bakr und Umar Ibn al-Chattab befinden sich hier.

Der Prophet Mohammed wird von beiden großen Strömungen des Islam, der sunnitischen wie der schiitischen, verehrt. Die Mehrheit der Sunniten wäre allerdings „ebenso entsetzt über jede Entweihung das Grabs wie die Schia“, so Alawi gegenüber dem „Independent“. Dennoch könnte eine Entfernung der sterblichen Überreste des Propheten aus seinem ursprünglichen Grab die Spannungen zwischen den beiden Gruppen verstärken.

religion.ORF.at

Links:

Mehr dazu:

  • Medina (religion.ORF.at; Lexikon Islam)
  • Sunniten (religion.ORF.at; Lexikon Islam)
  • Schiiten (religion.ORF.at; Lexikon Islam)