Klarstellung zu Papst-Sager über Konzentrationslager

Nach einem pointierten, allerdings heiklen Vergleich von Papst Franziskus über Flüchtlingslager, die Konzentrationslagern ähnelten, hat sich der Vatikan um Klarstellung bemüht. Kritik kommt von jüdischer Seite.

Der Papst hatte am Samstagabend bei einem Wortgottesdienst Aufnahmezentren für Flüchtlinge in Griechenland mit Konzentrationslagern verglichen. Kritik kam am Sonntag vom American Jewish Committee (AJC). AJC-Generalsekretär David Harris sagte laut Presseagentur Reuters, die Bedingungen, in denen Migranten derzeit in einigen europäischen Ländern leben, mögen sehr wohl schwierig sein und noch größere internationale Aufmerksamkeit verdienen. „Konzentrationslager sind sie aber sicher nicht“, so Harris.

AJC: Kein Vergleich mit KZs möglich

„Die Nazis und ihre Verbündeten errichteten und benutzten Konzentrationslager für Sklavenarbeit und die Ausrottung von Millionen von Menschen während des Zweiten Weltkriegs. Es gibt keinen Vergleich mit der Größe dieser Tragödie“, betonte der Generalsekretär des AJC.

Harris forderte den Papst weiter auf, in der Wahl seiner Worte bedachter zu sein. „Präzision von Sprache und Fakten ist absolut notwendig, wenn man irgendeine historische Referenz macht. Die umso mehr, wenn solche Aussagen von einer so prominenten und bewunderten globalen Persönlichkeit kommen.“

Papst Franziskus beim Gedenkgottesdienst an moderne Märtyrer

APA/AP/Maurizio Brambatti

Papst Franziskus zeigte Betroffenheit über die Zustände in Aufnahmezentren für Flüchtlinge

Auschwitz-Komitee: Vergleich legitim

Das Auschwitz-Komitee (IAK) bezeichnete den Vergleich als legitim. „Ich halte das nicht für empörend“, sagte der Exekutiv-Vizepräsident des Zusammenschlusses von Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz, Christoph Heubner, am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Papst Franziskus habe es in guter Absicht gesagt. „Er überzeichnet, um Herzen in Bewegung zu bringen. Das ist legitim.“

Bezug zu syrischer Flüchtlingsfamilie

Franziskus hatte im Rahmen einer Gedenkfeier in der Märtyrergedenkkirche San Bartolomeo gesagt, er wolle zu den Märtyrerikonen eine weitere hinzufügen. Diese sei das Bild einer jungen Syrerin, von der er bei seinem Besuch auf der Insel Lesbos gehört habe. Ein zirka 30-jähriger Flüchtling aus Syrien mit drei Kindern habe ihm gesagt: „Heiliger Vater, ich bin Muslim. Meine Frau war Christin. Die Terroristen sind gekommen, sie haben von meiner Frau verlangt, dass sie ihr Kruzifix auf den Boden wirft. Sie hat es nicht getan. Daraufhin haben sie sie vor meinen Augen abgeschlachtet. Wir hatten uns so sehr geliebt“.

Er wisse nicht, ob dieser junge Mann noch auf Lesbos sei oder ob es ihm gelungen sei, woanders hin zu kommen, sagte der Papst weiter: „Ich weiß nicht, ob es ihm gelungen ist, aus diesem Konzentrationslager herauszukommen. Viele Flüchtlingslager sind Konzentrationslager - schon wegen der Menschenmenge, die sich dort zusammendrängt.“

Pater: Worte aus persönlicher Betroffenheit

Der Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, Pater Bernd Hagenkord, veröffentlichte am Sonntag eine Klarstellung. Der Papst habe Flüchtlingslager mit Konzentrationslagern verglichen, aber „offensichtlich - wer es gesehen hat - aus persönlicher Betroffenheit, aber auch aus eigener Anschauung heraus“. Zu beachten sei, „dass nicht die ganze Welt dem Wort und dem historischen Phänomen dieselbe Bedeutung beimisst“, so Hagenkord:

Hagenkord: Papst wollte KZs nicht verharmlosen

Wörtlich schreibt der deutsche Jesuit: „Wir sagen Konzentrationslager, aber was wir meinen, sind Vernichtungslager. Die Briten haben das Wort erfunden, für ihre eigenen Lager in Afrika. Das ist eine ganz eigene Sache und noch keine Verharmlosung der deutschen Geschichte, geschweige denn eine Verhöhnung der Opfer.“

Pater Bernd Hagenkord

kathbild.at/Franz Josef Rupprecht

Pater Bernd Hagenkord

„Wir Deutschen reagieren sensibel auf den Gebrauch des Wortes, zu Recht. Es hat einen so genannten Historikerstreit gegeben um die Frage, ob die Verbrechen der Nazis nun einmalig waren oder nicht, jede Relativierung der Geschichte ist Anlass zu Aufregung. Der Papst hat aber nicht deutsche Vernichtungslager, nationalsozialistische Massenmorde, Shoah und dergleichen verharmlosen wollen, indem er sie relativiert. Schon gar nicht in einem Gottesdienst, wo ein Sohn eines NS-Opfers quasi neben ihm stand.“

„In der ihm eigenen Art hat er eine drastische Sprache gewählt, um die Phänomene dieser Lager zu beschreiben und die emotionale Wucht, die diese erzeugen. Wir tun hier ja so, als ob alles in Ordnung wäre, solange die Flüchtlinge in der Türkei und in Griechenland bleiben und bloß nicht zu uns kommen. Kaum jemand fragt nach, wie es in diesen Lagern, ohne Perspektive, voller Gewalt, ohne Ausgang, wie in einem Druckkessel zugeht.“

religion.ORF.at/KAP

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