Bünker: Franziskus in Flüchtlingsfrage „unser Papst“

Der evangelisch-lutherische Bischof und Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), Michael Bünker, hat das glückliche Zusammenfallen des Reformationsjubiläums mit dem Pontifikat von Franziskus betont.

„Durch die Teilnahme von Franziskus am Reformationsjahr-Auftakt in Lund hat sich das einengende Fragen, ob man denn die Reformation feiern kann, ob man denn eine ‚Spaltung‘ feiern kann, erübrigt“, sagte Bünker am Dienstagabend beim Jour fixe des Verbands katholischer Publizisten in Wien. Der Bischof bezeichnete Franziskus hinsichtlich der Flüchtlingsfrage als „unseren Papst“. Allerdings würden nicht alle evangelischen Christen dem Papst diesbezüglich folgen, „aber auch nicht alle Katholiken“.

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker

APA/Roland Schlager

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker

Einladung zu Bischofskonferenz „einmalig“

Einen großen Durchbruch habe das Reformationsjahr aber nicht nur auf lutherisch-katholischer Weltebene, sondern auch auf der Österreichebene gebracht, sagte Bünker: „Es war ein absolut einmaliges Ereignis, dass uns die Österreichische Bischofskonferenz eingeladen hat, an ihrer Herbstvollversammlung teilzunehmen.“

Was die Lage in Österreich zudem von Deutschland und der Schweiz unterscheide, sei das gemeinsame Feiern zu „1517/2017“ der drei evangelischen Kirchen - nämlich Lutheraner, Reformierte und Methodisten. Höhepunkt soll das Reformationsfest am 30. September auf dem Wiener Rathausplatz sein.

Kein Auseinanderdriften in Ethikfragen

Dass ein „Feiern“ der Reformation 1517 ökumenisch berechtigt ist, liegt laut Bünker an den letztlich guten Folgen der Reformation auch für den Katholizismus. „Jede Kirche kann sich über eine Wiederentdeckung des Evangeliums freuen.“ Das Feiern sei aber mit einem Bedauern verbunden, denn die Reformation habe 200 Jahre mehr oder weniger konfessionell motivierte Kriege nach sich gezogen, und ebenso Vertreibungen. Bahnbrechend sei hier die Vergebungsbitte des Salzburger Erzbischofs Andreas Rohracher (1966) gewesen.

Der dritte ökumenische Aspekt zum Reformationsjahr sei die Frage nach der gemeinsamen Verantwortung. Hier habe sich in den letzten Jahren eine ganze Menge getan.

Bünker widersprach diesbezüglich der Meinung, dass katholische Kirche und evangelische Kirche in Ethikfragen auseinanderdriften würden. In der Migrationsfrage gebe es weitgehende Einigkeit, in der Bioethik wiederum gebe es insgesamt innerhalb des Spektrums der geäußerten Positionen einen „Korridor“ innerhalb klar aufgezeigter Grenzen dazu, was nicht zu akzeptieren sei.

Mehr Verbindendes als Trennendes

Das Trennende sei nicht die Ethik - so der Bischof -, sondern lehrmäßige Inhalte. Hier gelte, was Kardinal Schönborn im Herbst in Eisenstadt gesagt habe: Es gibt insgesamt mehr Verbindendes als Trennendes, aber weiterhin trennend sind Amts- und Kirchenverständnis.

Bünker berichtete in diesem Zusammenhang, dass der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, Kardinal Kurt Koch, auf eine Konvergenz-Erklärung zu Amt und Kirchenbegriff abziele. Sie könnte ebenso bahnbrechend werden wie die 1999 in Augsburg unterzeichnete Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre.

Schrumpfung in Österreich, Wachstum im Süden

Der evangelische Bischof und GEKE-Generalsekretär berichtete weiter, dass Koch mit dem Lutherischen Weltbund (LWB) im Gespräch sei, aber - aufgrund der global neuen konfessionellen Entwicklungen - auch die GEKE zu den neuen direkten Dialogpartnern der katholische Kirche aufgenommen habe. Dies zeige das große Gewicht, das die GEKE mittlerweile erlangt habe.

Er kenne Koch schon aus dessen Zeit in der Schweiz, so Bünker weiter. Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates habe die Gabe, die Dinge humorvoll und in Bildern auf den Punkt zu bringen. Kardinal Kochs Zentralanliegen sei eine Überwindung der aktuellen „Reihenhaus-Ökumene“: „Die Kircheneinheit besteht in Form einer Reihenhaussiedlung. Jede Kirche hat da ihr gemütliches Haus, und man geht von Zeit zu Zeit ins Nachbarhaus zum Kaffeetrinken.“ Bünker ließ offen, wieweit ein „Mehr“ möglich sein werde.

Die Zukunft der lutherischen Kirchenfamilie sieht der Bischof zuversichtlich. Zwar schrumpfe die Mitgliederzahl in Österreich und man liege nur mehr bei drei Prozent, doch gebe es Aufbrüche in anderen Ländern, etwa Indonesien, Nigeria und Tansania. So sei jetzt bei der Vollversammlung des Lutherischen Weltbunds ein Nigerianer - Erzbischof Musa Panti Filibus - zum Weltbund-Präsidenten gewählt worden.

Frage nach „Anteil der tatsächlich Glaubenden“

Bünker relativierte auch die These, wonach die lutherisch geprägten Länder Europas - Skandinavien, Ostdeutschland, Estland - am stärksten von Kirchenaustritten und Säkularisierung betroffen seien. Das am stärksten atheistische Land sei ein anderes, nämlich die Tschechische Republik, und es stelle sich „schon auch die Frage, wie hoch der Anteil der tatsächlich Glaubenden unter den statistisch erfassten Orthodoxen in Griechenland“ sei.

Das Phänomen, das im Westen in den vergangenen 30 Jahren zu beobachten sei, sei die Entkoppelung von Religion und Institution. Viele Menschen seien religiös, gehörten aber keiner institutionellen Kirche (mehr) an bzw. nicht mehr der, in die sie geboren wurden. Analog dazu sei die Entwicklung in der Politik. Auch hier gehe der Trend weg von Parteien und hin zu Wahlbewegungen, so der Bischof.

religion.ORF.at/KAP

Link: