Krätzl: Ökumene keine Gleichmacherei aller Kirchen

Ökumene ist "keine Gleichmacherei, sondern ein „Sich-Näherkommen im Wesentlichen und ein Anerkennen der je anderen Tradition“: Das hat der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl bei einer Podiumsdiskussion anlässlich des Reformationsjubiläums gesagt.

Er bestritt die Diskussion gemeinsam mit dem evangelischen Bischof Michael Bünker am Dienstag in Klosterneuburg. Krätzl machte seine Überzeugung am Beispiel der gemeinsamen katholisch-lutherischen Erklärung zur Frage der Rechtfertigung (1999) fest.

Im wichtigsten Punkt, dass der Mensch nur aufgrund seines Glaubens gerechtfertigt werde, seien sich alle einig gewesen, sagte Krätzl. Bei einigen anderen Punkten konnte zwar keine Einigung erzielt werden, diese seien aber nicht als kirchentrennend bezeichnet worden. „Das war für mich ein typisches Beispiel, wie Ökumene sein soll.“

Bünker über „unvollendete“ Reformation

Martin Luthers Absicht sei es nie gewesen, die abendländische Kirche zu spalten, betonte Bischof Bünker. „Er wollte die Kirche, in der er groß geworden ist, reformieren und zu ihren Wurzeln, zu Jesus Christus und zum Evangelium, zurückbringen.“ Dass das nicht für die ganze Kirche gelungen sei, habe man später als das Scheitern der Reformation bezeichnet.

„Wir müssen darüber nachdenken, ob die Reformation nicht unvollendet bleibt, solange es irgendwo eine Kirche Jesu Christi gibt, die nicht auf der Grundlage des Neuen Testaments als alleiniger Norm und Maßstab steht.“ Luther sei es wichtig gewesen, Jesus Christus in den Mittelpunkt zu stellen, deshalb habe er auch die Verehrung der Gottesmutter und der Heiligen kritisiert.

Aufbruch zu Luthers Zeit

Der evangelische Bischof wies auch auf die besonderen Anliegen des gesamtgesellschaftlichen Aufbruchs zur Zeit der Reformation hin. Das Jahr 1517 sei nicht nur das Jahr der Veröffentlichung der 95 Thesen Luthers gewesen, sondern beispielsweise auch jenes, in dem der osmanische Sultan Kairo eroberte.

Das Osmanische Reich dehnte sich schließlich bis zur spanischen Grenze aus, 1529 standen die Türken dann vor Wien. Außerdem sei diese Zeit eine der Entdeckungen und Eroberungen gewesen, so Bünker. Er betonte weiters, dass es auch vor und nach Luther Reformationen gegeben habe, wobei er Johannes Zwingli und die Waldenser als Beispiele nannte.

Bedeutung des Buchdrucks

Ein wesentliches Element des gesellschaftlichen Aufbruchs sei die Erfindung des Buchdrucks gewesen. Bünker: „Innerhalb weniger Jahre werden in Europa mehr Bücher gedruckt, als im gesamten Jahrtausend davor geschrieben wurden. Anfang des 16. Jahrhunderts wurden in Deutschland mehr Bücher gedruckt als in Frankreich, Spanien und Italien zusammen. Und 70 Prozent davon waren Schriften Martin Luthers.“

Eine folgenreiche Entscheidung sei gewesen, dass der damalige osmanische Sultan die Einfuhr der Druckerpresse in sein Reich verbot, weil der Koran als gegeben angesehen wurde und man - da er von Hand abgeschrieben wurde - Druckermaschinen als unnötig ansah. „Damit koppelte sich das islamisch-osmanische Reich von der kulturellen und technischen Entwicklung wahrscheinlich für Jahrhunderte ab“, so Bünker. Die Nachwirkungen seien bis heute zu spüren.

Ökumenische Meilensteine in Österreich

Weihbischof Krätzl erinnerte im Verlauf der Diskussion auch an einige ökumenische Meilensteine in Österreich. So habe etwa Kardinal Franz König bereits 1964, noch während des Zweiten Vatikanischen Konzils, die ökumenische Stiftung „Pro Oriente“ gegründet. Anfang 1966 wurde die gemischte katholisch-evangelische Kirchenkommission gegründet.

Für ihn persönlich sei die langjährige ökumenische Morgenfeier jeweils Sonntags im ORF-Radio sehr lehrreich gewesen, so Krätzl. „Das war die beste Schule, um die Vertreter der anderen Kirchen besser kennen zu lernen.“ Einmalig sei auch die gemeinsame Verantwortung für den Religionsunterricht in Österreich, wie sie in der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems wahrgenommen wird: „Das kenne ich in keinem anderen Land.“

Veranstalter der Podiumsdiskussion war die Österreichische Gesellschaft für Völkerverständigung. Deren Präsident Josef Höchtl zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Beziehungen zwischen den Kirchen „vom Gegeneinander über ein Nebeneinander zum Miteinander und Füreinander in der Zukunft“ entwickeln.

religion.ORF.at/KAP

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