Theologe für klare Abgrenzung gegen „Neue Rechte“

Für eine klare Abgrenzung der Kirchen gegenüber den „Neuen Rechten“ in Europa hat sich der Wiener Philosoph und Theologe Hans Schelkshorn ausgesprochen.

Parteien wie der Front National in Frankreich oder die AfD in Deutschland fänden Unterstützung durch „ultrakonservative katholische Kreise“ und auch durch evangelikale Protestanten, die der Bedrohung durch den politischen Islam mit der „Verteidigung des christlichen Abendlandes“ begegnen wollten.

Aber: Eine Synthese zwischen Christentum und neorechter Ideologie wäre „geradezu eine Pervertierung christlicher Moral“, betonte Schelkshorn am Dienstagabend bei einem Vortrag im Wiener Otto-Mauer-Zentrum. Schelkshorn äußerte sich bereits mehrfach zur Verquickung von Kirchen und Politik - mehr dazu in Zensur: Bischofskonferenzen üben Druck aus.

Theologe Hans Schelkshorn

Rupprecht@kathbild.at

Für den Theologen und Philosophen Hans Schelkshorn wäre eine Synthese von Christentum und neorechter Ideologie eine „Pervertierung christlicher Moral“

Christliche Nächstenliebe kein politisches Prinzip

Laut Schelkshorn fußen die universalen Menschenrechte auf der christlichen Überzeugung der gottgegebenen Würde aller Menschen; „rechte“ Politik dagegen sei auf ethnischen Prinzipien aufgebaut - „der linken Berufung auf die Menschenrechte wird das ‚Recht auf Heimat‘ entgegengehalten“. Das habe zu Slogans wie „Österreich zuerst“ beim FPÖ-Ausländervolksbegehren von 1993 bis hin zu Donald Trumps „America first“ geführt.

Und laut dem ungarischen Regierungschef und Christdemokraten Viktor Orban sind Bürger zuerst für ihre Familienmitglieder verantwortlich, dann für die Mitglieder ihres Dorfes, ihres Landes - und zuletzt eventuell noch für andere. Kirchliche Amtsträger hätten das christliche Gebot der Nächstenliebe, das bloß für den privaten Raum Geltung habe, illegitimerweise zu einem politischen Prinzip umfunktioniert, umschrieb der Wiener Theologe Orbans Haltung.

Wille des Volkes gesteuert

Den „schwammigen Begriff des ‚Populismus‘“ für derartige Positionen lehnt Schelkshorn, wie er sagte, ab: Das Bild eines ideologiefreien Populismus’ verharmlose in gefährlicher Weise die politische Agenda neorechter Parteien, die auf eine „Aushöhlung bis hin zur Abschaffung liberaler, d. h. rechtsstaatlicher Demokratie“ abziele.

Johann Schelkshorn

Schelkshorn ist seit 2007 außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Christliche Philosophie der Universität Wien und neuer Vorsitzender des katholischen AkademikerInnenverbandes.

Neorechte Parteien würden sich nicht einfach den schwankenden Stimmungen des Volkes anpassen, sondern legen - so Schelkshorn - jeweils selbst vorweg fest, was der Wille des Volkes zu sein hat und vor allem wer zum Volk, d. h. der definierten ethnischen Gemeinschaft, gehört.

Aus Allianzen mit Faschismus lernen

Auf den christlichen Kirchen laste noch heute das schwere Erbe der Allianzen mit den faschistischen Systemen des 20. Jahrhunderts, das eine „schonungslose Kritik an eigenen antidemokratischer Traditionen“ verlange. Die Neue Rechte stellt das Christentum nach den Worten Schelkshorns erneut vor eine historische Herausforderung, „in der nicht weniger als der universalistische Kern christlicher Moral auf dem Spiel steht“.

Darüber hinaus stellten die neorechten Verteidiger des „Christlichen Abendlandes“ paradoxerweise die zentralen Errungenschaften europäischer Kultur - nämlich rechtsstaatliche Demokratie und Menschenrechte - in Frage. Die Antwort auf den politischen Islam könne jedoch nicht in einer „völkischen Ideologie“ und einem „christlichen Autoritarismus“ bestehen, die die späte Versöhnung zwischen Christentum und Demokratie desavouieren, so Schelkshorn.

„Unheilige Allianzen mit neorechten Bewegungen“ würden seiner Überzeugung nach „die Glaubwürdigkeit des Christentums in Europa auf Jahrzehnte hin beschädigen“.

Albert Camus’ Appell wieder aktuell

Der Wiener Theologe erinnerte an eine Rede, die Albert Camus 1946 vor den Dominikanern in Paris gehalten hatte. Darin rief der Schriftsteller die Christen auf, ihre Bündnisse mit dem Faschismus zu beenden und sich am Aufbau einer demokratischen Gesellschaft, einer „Civitas des Dialogs“, zu beteiligen. Durch den Aufstieg der Neuen Rechten habe Camus’ Appell eine neue Aktualität gewonnen, wies Schelkshorn hin.

Die lateinamerikanischen Theologien der Befreiung hätten bereits vor Jahrzehnten die christlichen Quellen prophetischer Kritik neu erschlossen. Vor diesem Hintergrund ist es für Schelkshorn „wohl kein Zufall, sondern eher ein bemerkenswertes ‚Geschichtszeichen‘, dass Franziskus, d.h. der erste Papst aus Lateinamerika, die europäische Christenheit an die menschenrechtlichen Grundlagen der europäischen Demokratie und an den Kerngehalt der christlichen Moral erinnern muss“.

religion.ORF.at/KAP

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