Altkatholiken feiern sich selbst

Sie heißen Altkatholiken, wirken aber ziemlich modern: Das Frauenpriestertum gibt es in der altkatholischen Kirche seit Langem, den Pflichtzölibat haben sie aufgegeben und auch sonst vieles eingeführt, wovon die römisch-katholische Kirche nicht einmal zu träumen wagt. Jetzt feiern sie gleich mehrere Jubiläen.

Die altkatholische Kirche feiert bei ihrem „Bekenntnisfest“ am Samstag unter anderem den 140. Jahrestag ihrer staatlichen Anerkennung in Österreich und 20 Jahre Frauenpriesterweihe. Dazu kommen noch der Abschluss der vollen Kirchengemeinschaft mit der Kirche von Schweden und der 146. Jahrestag des ersten altkatholischen Gottesdienstes in der St.-Salvator-Kapelle des Alten Rathauses in Wien, wo aus diesem Anlass ein großes Fest gefeiert wird.

Frauen zu allen Ämtern zugelassen

Als „historisches Unrecht“ bezeichnet die altkatholische Kirche in einer Aussendung die Tatsache, dass Frauen von der Übernahme geistlicher Ämter ausgeschlossen waren. Vor 20 Jahren entschieden sich die österreichischen Altkatholiken, auch Frauen zu allen Ämtern in der Kirche zuzulassen. Schon kurz darauf empfingen Elfriede Kreuzeder und Karin E. Leiter als erste Frauen die Priesterweihe. Bischof Bernhard Heitz betonte damals, dass dadurch ein „geschichtlich gewordenes Unrecht“ beendet werde.

im Inneren der altkatholischen St. Salvator-Kapelle

Kirchengemeinde St. Salvator

Den Altkatholiken wurde die St.-Salvator-Kapelle im alten Rathaus in Wien zur Verfügung gestellt

Wahre Vertreter der katholischen Kirche

Eigentlicher Anlass für das „Bekenntnisfest“ ist der erste altkatholische Gottesdienst in St. Salvator am 15. Oktober 1871. Die ersten „antivatikanisch gesinnten Katholiken“ fühlten sich als die wahren Vertreter der katholischen Kirche, während sie den Papst und seine romtreuen Anhänger als Begründer einer neuen Kirche betrachteten.

Die österreichischen Altkatholiken verlangten daher bei ihrem ersten Gespräch mit dem Kultusminister das Mitbenützungsrecht des Stephansdoms. Die Gemeinde Wien stellte ihnen dann immerhin die Kapelle „St. Salvator“ (mit 60 Sitzplätzen) im Alten Rathaus zur Verfügung. Die staatliche Anerkennung erfolgte erst sechs Jahre später 1877 – wofür eigens das bis heute geltende „Anerkennungsgesetz“ geschaffen wurde.

Lederleitner neuer Altkatholischer Bischof

Altkatholische Kirche Österreichs

Der altkatholische Bischof Heinz Lederleitner

Projekt Kirchengemeinschaft

Höhepunkt des Festes wird ein gemeinsamer Festgottesdienst mit der schwedischen Gemeinde in Wien um 14.00 Uhr in der St.-Salvator-Kapelle sein. Davor wird um 13.00 Uhr in einer Podiumsdiskussion mit Pressekonferenz Bischof Heinz Lederleitner mit VertreterInnen der Kirche von Schweden das Projekt „Kirchengemeinschaft“ vorstellen, was sie in der Praxis für die Ökumene und das Miteinander der christlichen Kirchen bedeutet. Die Altkatholiken verstehen sich dabei als Brückenschlag zwischen katholischer und evangelisch-lutherischer Kirche.

Das Bekenntnisfest beginnt am 14.10.2017 um 11.00 Uhr mit der Eröffnung der Ausstellung „Gästebuch“. Eine Rätselrallye, Konzerte, Musik und Tanz und ein Kirchenkabarett stehen ebenfalls auf dem Programm. Den Abschluss bildet um 17.00 Uhr ein Konzert der „Scola St. Salvator“. Der Eintritt ist frei.

Papst nicht unfehlbar

Die altkatholischen Kirchen sind aus dem Widerstand gegen die Beschlüsse des I. Vatikanischen Konzils 1870 hervorgegangen. Für viele Katholiken war das dort verkündete Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes in Fragen des Glaubens, der Sitte und der Moral weder mit der Bibel noch mit der kirchlichen Tradition vereinbar. Es kam zur Bildung „altkatholischer Aktionskomitees“, die 1871 erstmals zu einem Kongress in München zusammentrafen.

Die Altkatholische Kirche

Die altkatholische Kirche hat den Pflichtzölibat aufgegeben, lässt Frauen zu allen Ämtern zu, bestattet alle Verstorbenen unabhängig ihrer Zugehörigkeit, segnet gleichgeschlechtliche Paare, bietet allen Getauften die Kommunion an und traut Geschiedene erneut kirchlich.

Auf der ersten ordentlichen Generalsynode 1879 wurden tiefgreifende Reformen beschlossen: die Teilnahme von Laien am Kirchenregiment, die Einführung der Muttersprache im Gottesdienst und die Aufhebung des Zölibatszwanges. 1889 schlossen sich die altkatholischen Landeskirchen zur „Utrechter Union“ zusammen.

Keine Massenbewegung

Die altkatholische Kirche hält an den Glaubensaussagen der alten Kirche, wie sie in der Heiligen Schrift und durch die ökumenischen Konzile im ersten Jahrtausend ausgesprochen sind, fest. Später verkündete Dogmen werden nicht anerkannt. Für eine Massenbewegung reichte dieser Anstoß allerdings nicht: Weltweit gibt es heute etwa eine halbe Million Altkatholiken, in Österreich in zwölf Kirchengemeinden ca. 10.000 Gläubige.

In Österreich gab es in den 1930er Jahren mit mehr als 45.000 die meisten Altkatholiken, als nach den Gesetzen des Ständestaates die Mitgliedschaft in einer gesetzlich anerkannten Kirche die Voraussetzung für eine Anstellung im öffentlichen Dienst oder für eine gültige Eheschließung war. Seither sinkt die Zahl stetig.

im Inneren der altkatholischen St. Salvator-Kapelle

Kirchengemeinde St. Salvator

Die altkatholische Kirche ist aus der Ablehnung der Unfehlbarkeit des Papstes entstanden

Offene Kirche

In der altkatholischen Kirchen wurden erstmals Selbstmörder und Brandbestattete eingesegnet. In dieser Tradition wird heute auch Bekenntnislosen das kirchliche Begräbnis nicht verweigert. Anders als in der römisch-katholischen Kirche ist auch nach einer Scheidung eine weitere Eheschließung möglich. Auch homosexuelle Paare werden hier gesegnet.

Altkatholische Landeskirchen gibt es in Österreich, Deutschland, Skandianvien, Frankreich, Italien, Tschechien, in der Schweiz und in den Niederlanden. Weiters gehören zur altkatholischen Kirchengemeinschaft die polnische katholische Kirche sowie die kroatisch-katholische Kirche. Ehrenoberhaupt ist der Erzbischof der Kirche von Utrecht (Niederlande), die sich schon im 18. Jahrhundert nach einem kirchenrechtlichen Streit von Rom abgespalten hatten.

Demokratisch organisiert

Nach dem Vorbild der reformierten Christenheit hat die altkatholische Kirche eine demokratische Struktur. Das höchste gesetzgebende Organ ist die Synode, die auch den Bischof wählt. Das höchste Leitungsgremium der altkatholischen Kirche ist der Synodalrat. Er steht dem Bischof vor allem in Verwaltungsfragen und bei der Vermögensverwaltung zur Seite.

Der Rat besteht aus drei geistlichen und sechs weltlichen Synodalräten, die von der Synode auf sechs Jahre mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Die Mitglieder der Synode werden in Gemeindeversammlungen bestimmt, die auch den Pfarrer wählen. Die Synode ist das oberste gesetzgebende Organ.

Neben dem Bischof und dem Synodalrat gehören ihr noch die Abgeordneten der Gemeinde an, die nur weltlichen Standes sein dürfen. Die Synode wählt den Bischof. Dieser kann Beschlüsse der Synode nur beeinspruchen, wenn sie Glaubensgrundlagen beeinträchtigen. Die altkatholische Kirche führte bei ihrer Gründung auch die Landessprache im Gottesdienst ein und hob die Zölibatsverpflichtung für ihre Priester auf.

religion.ORF.at

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