Wiener Kindergärten: Leitfaden zu Umgang mit Religion

Als Ergänzung zum Bildungsplan hat die Stadt Wien einen neuen Leitfaden zum „Umgang mit Religionen, Weltanschauungen und Werten“ erarbeitet. Religiöse Vereine als Träger privater Kindergärten müssen die Konfession nun eindeutig angeben.

Der Bildungsstadtrat hatte die Erarbeitung eines Religionsleitfadens - als Präzisierung der Bildungsplanbestimmungen - und die Gesetzesnovelle schon im Sommer angekündigt. „Die Stadt Wien steht für eine offene, pluralistische Gesellschaft mit einem sicheren Fundament aus eindeutig definierten Werthaltungen“, so eine Aussendung vom Montag. Diese Werte seien „die Grundlage für eine kultur- und religionssensible Bildung in Wiener elementaren Bildungs- und Betreuungseinrichtungen“.

Vor allem in Debatten rund um sogenannte Islam-Kindergärten war die Stadt Wien wiederholt in die Kritik geraten - nicht zuletzt auch deshalb, weil die religiöse Ausrichtung privater Träger nicht verpflichtend erhoben wurde. Das ändert sich nun: Bei allen Neugenehmigungen müssen Betreiber, die eine spezifische Glaubensrichtung lehren, diese klar angeben. Bestehende müssen die Infos nachreichen.

Gesetze mit Vorrang gegenüber Religion

Verpflichtend vorausgesetzt wird bei allen Wiener Kindergärten und Kindergruppen die Anerkennung folgender vier Grundsätze: der des demokratischen Rechtsstaates und dessen Zuständigkeit für Gesetzgebung, Justiz und Exekutive: („Staatliche Gesetze haben gegenüber religiösen Vorschriften Vorrang“), der Gleichberechtigung von nichtreligiösen und religiösen Menschen und von Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit, der Gleichberechtigung der Geschlechter sowie der Offenheit und Dialogbereitschaft gegenüber der Pluralität der Gesellschaft.

Eine Kindergärtnerin bei einer Gruppenübung mit Kindern, im Hintergrund ist ein Kreuz zu sehen

APA/Harald Schneider

Werte wie Menschenwürde, Freiheit und Demokratie müssen in Wiener Kindergärten geachtet werden, so die Stadt Wien

Die Anerkennung und Achtung dieser Grundsätze müssen sowohl in den pädagogischen Konzepten und Leitbildern, im Alltag und auch in den Grundsätzen, Schriften, Statuten oder Regelungen jeder Einrichtung eindeutig erkennbar sein.

Achtung der Grundwerte

Weiters sind die Wiener Kindergärten und Kindergruppen zur Anerkennung und Achtung gemeinschaftlich geteilter Grundwerte verpflichtet: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der Menschen- und Kinderrechte einschließlich der Rechte von Minderheiten.

Dezidiert festgehalten ist im Leitfaden die verpflichtende Darlegung, ob und wie religiöse Erziehung vermittelt wird: „Orientiert sich der Bildungsalltag (…) an einer spezifischen Glaubensrichtung, so ist Eltern bzw. Obsorgeberechtigten gegenüber klar zu deklarieren, wie religiöse Erziehung stattfindet.“

Angabe der Religion Muss-Bestimmung

In Kürze werde auch die vor dem Sommer angekündigte Novelle des Kindergartengesetzes in Begutachtung gehen, wo die „Darlegung, ob religiöse Erziehung vermittelt wird“ ebenso dezidiert vorgeschrieben wird. Im Klartext bedeutet das, dass religiöse Vereine als Träger privater Kindergärten die Konfession nun eindeutig angeben müssen - egal, ob etwa katholisch, islamisch oder jüdisch, wie eine Sprecherin von Czernohorszky auf APA-Nachfrage bestätigte.

Die Angabe der Religion sei bisher gewissermaßen eine Soll-Bestimmung gewesen, nun werde sie zur Muss-Bestimmung. Diese gilt nicht nur für alle Neugenehmigungen. Schon bewilligte Einrichtungen müssen die Informationen gegebenenfalls nachreichen, sprich im pädagogischen Konzept ergänzen.

Weiters will die Stadt künftig genauer schauen, ob die Fördersteller auch die entsprechende wirtschaftliche Kompetenz mitbringen. Außerdem soll es eine stärkere Kooperation mit dem Verfassungsschutz geben, um über eingestellte oder abgeschlossene Verfahren rund um Sexual-, Drogen- und Gewaltdelikte Informationen zu bekommen.

Indoktrinierung verboten

Klar abgelehnt werden im neuen Leitfaden eine ideologische Indoktrinierung der Kinder oder andere Zwangsausübungen: „Methoden wie Indoktrinieren, Ausüben von Zwang oder Abwerten von Personen anderer ethnischer Herkunft, anderer religiöser oder weltanschaulicher Ausrichtung oder auf Grund ihres Geschlechts sind verboten. Ziel ist die Stärkung kindlicher Kompetenzen für ein selbstbestimmtes verantwortungsbewusstes Leben (...)“

Mit diesem Leitfaden wolle die Stadt Wien deutlich machen, „welche Werthaltungen uns als Stadt in der pädagogischen Arbeit in unseren Kindergärten wichtig sind“, wird Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) in der Aussendung zitiert. Für die Umsetzung im Kindergartenalltag seien „die PädagogInnen die besten Expertinnen“. „Jeglicher Zwang, in welcher Form auch immer, hat im Kindergarten nichts verloren“, so Czernohorszky.

Der Leitfaden wurde laut Aussendung in Kooperation mit allen Religionsgemeinschaften konzipiert, an alle Kindergartenträger kommuniziert und steht ab sofort im Internet zum Download zur Verfügung.

Deutsch sprechendes Personal nötig

Grundsätzlich unterliegen alle Kindergärten und Kindergruppen in Wien den Bestimmungen des Wiener Kindergartengesetzes bzw. des Wiener Tagesbetreuungsgesetzes und müssen die darin enthaltenen Vorgaben einhalten: Dazu zählen nicht nur Anforderungen an die Infrastruktur, sondern auch pädagogische Qualitätsstandards. Die Kindergärten müssen entsprechend pädagogisch ausgebildetes, Deutsch sprechendes Personal vorweisen können und die Grundsätze des Wiener Bildungsplanes einhalten.

Entsprechend den Vorgaben des Bildungsplans werde bei Kontrollen in Kindergärten und Kindergruppen bereits jetzt jede Form der Religionsvermittlung hinterfragt, versichert die Stadt Wien: Religion müsse „ausnahmslos altersadäquat“ vermittelt werden. Lernen „unter starren Zeitstrukturen und vorgegebenen Unterrichtseinheiten“ ist dabei nicht erlaubt. Feste des Jahreskreises, aber auch Bräuche und Rituale aus unterschiedlichen Kulturen „fließen selbstverständlich in die pädagogische Arbeit ein“.

Prüfung von Aslan-Studie „noch vor Wahl“

Im Zusammenhang mit Islam-Kindergärten haben Integrationsministerium und Stadt Wien außerdem schon im Vorjahr eine weitreichende Studie in Auftrag gegeben, bei der auch der umstrittene Islamforscher Ednan Aslan mitwirkt. Laut Czernohorszky-Sprecherin sollen die Ergebnisse noch vor der Nationalratswahl (15. Oktober) der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Geplant sei eine Präsentation Anfang Oktober. Die Arbeit an der Studie sei gerade im Finale, hieß es.

Aslan hatte mit einer ersten Studie 2016 für erhebliche Diskussion gesorgt, da sie gehörige Fehlentwicklungen in Islam-Kindergärten aufzeigte, gleichzeitig aber wegen angeblicher methodischer Mängel kritisiert wurde. Im heurigen Sommer wurden Vorwürfe laut, das Integrationsministerium habe in Aslans Arbeit korrigierend eingegriffen bzw. die Ergebnisse so zugespitzt, dass sie für die ÖVP politisch besser zu verwerten seien. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) wies den Vorwurf wiederholt zurück.

religion.ORF.at/APA

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