Studie über Muslimbruderschaft: Beträchtlicher Einfluss

Eine am Donnerstag vom Bundesministerium für Inneres (BMI) publizierte Studie zu den Aktivitäten der islamischen Muslimbruderschaft in Österreich attestiert der Gruppierung „beträchtlichen Einfluss“.

Die Studie des Extremismusforschers Lorenzo Vidino von der George Washington Universität entstand in Zusammenarbeit mit der Universität Wien (Institut für Orientalistik), unterstützt vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sowie dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF). Der Zeitpunkt ihres Erscheinens kurz vor der Nationalratswahl am 15. Oktober garantiert der Untersuchung große Aufmerksamkeit.

Vidino analysierte in einer Art Zusammenfassung aus Zeitungs- und Onlineberichten, Beiträgen aus Social Media sowie Gerichtsprotokollen die Muslimbruderschaft in Österreich. Er belegt, wie die international tätige, islamistische Bewegung auch in Österreich aktiv ist und hier über beträchtliche Verbindungen und Einfluss verfügt.

Weitverzweigtes Netzwerk in Europa

Die Muslimbruderschaft, 1928 in Ägypten gegründet, verbreitete sich seit den späten 1950er und frühen 1960er Jahren im Nahen Osten, aber auch in vielen westlichen Ländern. Ziel der Muslimbruderschaft ist nach Meinung von Experten die graduelle Islamisierung der Gesellschaft. Die Muslimbruderschaft baute in vielen europäischen Staaten inzwischen ein Netzwerk aus sozialen Organisationen, Bildungseinrichtungen und Unternehmen auf.

Sendungshinweise

„Studie: Haben Muslimbrüder zu viel Einfluss?“ im Ö1-„Mittagsjournal“ von Freitag, 15.9.2017

„Islamische Macht im Verborgenen: Die Muslimbruderschaft“: Beitrag über die Muslimbruderschaft in „Praxis“, gestaltet von Kerstin Tretina am 1. Februar 2017 in Ö1

Aufgrund ihrer starken Vernetzung und professionellen Struktur seien Anhänger der Ideologie der Muslimbruderschaft bzw. ihr nahestehende Organisationen in den vergangenen Jahrzehnten vermehrt zu Ansprechpartnern für westliche Eliten innerhalb der muslimischen Community geworden, so der Studienautor Vidino, der sich seit langem mit den Aktivitäten der Bruderschaft beschäftigt.

Keine homogenen Strukturen

Dabei verfügt die Muslimbruderschaft, die in Österreich nach Schätzungen zwischen mehreren hundert und einigen tausend Mitgliedern haben soll, über keine „homogenen Strukturen“, wie der Historiker Heiko Heinisch am Freitag im Gespräch mit Ö1 im „Mittagsjournal“ sagte. Das macht sie in den Augen von Experten schwer greifbar.

Der Soziologe Thomas Schmidinger beschrieb in der Religionssendung „Praxis“ vom 1. Februar dieses Jahres die Muslimbruderschaft als „islamische, antiwestlichen Bewegung“, die sich durch Verfolgungen in der islamischen Welt ausbreitete. Innerhalb der Muslimbruderschaft reiche das „Spektrum von konservativ-islamischen Parteien, die grundsätzlich innerhalb des parlamentarischen Systems versuchen, eine Islamisierung von Politik voranzutreiben, bis hin zu autoritären Staatskonzepten“ in Richtung islamische Republik.

Schlüsselrolle im Bildungsbereich

Studienautor Vidino sieht sowohl das islamische Lehramtsausbildungsinstitut IRPA, das für die Ausbildung von islamischen Religionslehrern verantwortlich ist, als auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) in einem Naheverhältnis zur Muslimbruderschaft. Vor allem die IRPA stehe „zweifellos unter deren Einfluss“, heißt es in der Aussendung des BMI. Das leitet der Experte unter anderem aus familiären Verbindungen ab, etwa bei der vor Kurzem abgelösten IRPA-Institutsleiterin. Die IRPA war am Freitag für keine Stellungnahme für religion.ORF.at erreichbar, ebenso wenig wie die IGGÖ.

Als problematisch sieht Vidino auch, dass bei der Aufnahme von in Österreich ankommenden Asylsuchenden aus mehrheitlich muslimischen Ländern „Organisationen und Personen mit Verbindungen zur Muslimbruderschaft zentrale Rollen eingenommen“ hätten. Ihre Bestrebungen liefen „den Maßnahmen der österreichischen Politik zuwider, da ihre Werte in Widerspruch zu den rechtstaatlichen Werten Österreichs stehen“, betont Vidino.

Die Muslimbruderschaft ziele auf eine Spaltung der Gesellschaft in Österreich ab, resümiert die Studie. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Islam werde kategorisch als „Islamophobie“ abgelehnt. Antimuslimische Vorfälle würden in den letzten Jahren zunehmend auch in Österreich von islamistischen Kreisen bewusst überzeichnet und zur verstärkten Propagierung einer „Wir gegen Sie“-Haltung genutzt.

religion.ORF.at

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