Theologe Tück: Papst soll Schweigen brechen
„Amoris laetitia“ sei eine „legitime Fortschreibung der bisherigen Lehre“ und kein „Traditionsbruch“ - zugleich aber wäre ein klärendes Wort von Papst Franziskus wünschenswert, um die „feinen Risse“ wieder zu kitten, die die „Einheit der katholischen Weltkirche gefährden könnten“, schreibt Tück in einem Beitrag auf Katholisch.at, der Website der Katholischen Kirche Österreich. „Schweigen kann für einen Brückenbauer nicht die letzte Antwort sein“, heißt es da.
Perspektivwechsel eingeläutet
Der durch „Amoris laetitia“ eingeläutete „Perspektivwechsel“ im Blick auf einen offeneren pastoralen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen sei legitim, insofern er „ohne die Lehre anzutasten von der Komplexität des Lebens ausgeht und nach pastoral gangbaren Lösungen für Menschen in schwierigen Situationen sucht“, so Tück. Schließlich gehe es dem Papst um eine theologische Neubewertung, in der sich Franziskus auf eine Deutung der Sakramente als „Heilmittel“ und nicht als „Belohnung für Vollkommene“ festgelegt hat.
Kathpress/Franz Josef Rupprecht
Papst-Kritiker wie „Bulldoggen“
Die Papst-Kritiker würden sich angesichts dieser dogmatisch durchaus haltbaren Weichenstellung indes „gerieren wie Bulldoggen der Orthodoxie“, indem sie etwa den Papst unter Häresieverdacht stellen - „als käme ihnen die Definitionshoheit zu, über die mangelnde Rechtgläubigkeit eines Papstes zu befinden“.
Tatsächlich nämlich sei gerade die Tradition, auf die sich die Papst-Kritiker gern berufen, „vielschichtiger, als es ihre Verteidiger wahrhaben wollen“, enthalte sie doch selbst „Ansatzpunkte für eine elastischere Seelsorge“, wie sie Franziskus nun in seinem Lehrschreiben aufzeigt.
Einheit der Weltkirche gefährdet
Dennoch bestehe ein Klärungsbedarf, räumte Tück ein: Schließlich habe „Amoris laetitia“ einen weiten Interpretationsspielraum eröffnet, der zu problematischen Folgeentwicklungen auf nationaler Ebene führe.
Wenn etwa die eine Bischofskonferenz den Sakramentenempfang für Wiederverheiratete weiterhin ablehnt, dieser jedoch in anderen Ländern erlaubt werde, zeige sich darin eine „pontifikale Leerstelle“ und „feine Risse“, die „in the long run die Einheit der katholischen Weltkirche gefährden könnten“, so Tück. Ähnliches sagte der Theologe vor zwei Wochen auch im Gespräch mit religion.ORF.at - mehr dazu in Papst zwischen Reform und Ketzerei.
Mit Kritikern reden
Ein Wort der Klärung durch den Papst sei daher geboten, damit die angezielte „heilsame Dezentralisierung“ am Ende nicht zu einer „Pathologie schismatischer Zustände“ wird. Papst Franziskus wäre daher laut Tück gut beraten, „mit seinen Kritikern zu reden und die Spielräume zu verteidigen, die er zur Implementierung einer situationsbezogenen und einzelfallgerechten Praxis der Barmherzigkeit nutzen will“.
religion.ORF.at/KAP
Mehr dazu:
- Papst zwischen Reform und Ketzerei
(religion.ORF.at, 11.11.2017)