Kirchenrechtler: „Amoris“-Richtlinien nötig

Unzufrieden mit der momentanen Situation bei der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen hat sich der Innsbrucker Kirchenrechtler Wilhelm Rees in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Furche“ geäußert.

Mit seinem postsynodalen Schreibens „Amoris laetitia“ habe Papst Franziskus den wiederverheirateten Geschiedenen im Einzelfall den Zugang zu Kommunion und Bußsakrament eröffnen wollen, allerdings fehlten entsprechende klare Regelungen in vielen Ortskirchen, darunter Österreich, kritisierte der Theologe in dem „Furche“-Interview.

Für den Papst seien die Bestimmungen zum Sakramentenempfang nicht starre Normen, sondern deren Anwendung hänge auch von den individuellen Umständen ab, erklärte Rees. Das sei in „Amoris laetitia“ festgehalten, allerdings „wäre es wahrscheinlich hilfreicher gewesen, eine konkrete Norm zu erlassen, als diesen Gedanken im Sinn der Barmherzigkeit in eine Fußnote zu geben - diese hat ja dann zu großen Auseinandersetzungen geführt“.

Dezentralisierung

Franziskus denke hier offenbar an Dezentralisierung. Er betone „die Verantwortung der einzelnen Bischöfe und Bischofskonferenzen, die er aufruft, entsprechende Regelungen in den jeweiligen Ortskirchen zu treffen“, sagte der Innsbrucker Kanonist: „Das ist aber nicht so einfach, was man auch daran sieht, das bisher die Österreichische Bischofskonferenz in dieser Frage zu keinem klaren Ergebnis gekommen ist.“

Rees hält eine künftige kirchenrechtliche Normierung der Frage für wichtig. Es gehe darum, „der Communio der Kirche eine Ordnung zu geben und willkürliches Handeln auszuschalten oder zumindest zu begrenzen“. Das Kirchenrecht wolle dem einzelnen Gläubigen Hilfe sein, gestehe ihm Rechte zu und benenne diese klar, „da scheint mir eine rechtliche Regelung dieser Frage sinnvoll und auch notwendig“.

Normierung gibt Sicherheit

Mit dieser Regelung gebe es „einen klaren Rechtsanspruch, der etwa im Fall von Scheidung und Wiederheirat unter gewissen Umständen den Zugang zur Eucharistie ermöglicht, denn es wäre hier meiner Meinung nach eher ungerecht, wenn man diese Entscheidung ausschließlich dem einzelnen Seelsorger überließe“. Eine rechtliche Normierung gebe den Gläubigen eine gewisse Sicherheit und schließe Willkür aus, „daher halte ich eine Regelung durch die Österreichische Bischofskonferenz für sinnvoll“.

Ebenso wie für den Kommunionempfang wiederverheirateter Geschiedener müsste der Papst auch Gesetze für den Ausbau weiblicher Präsenz in der Kirche erlassen. „Es ist da einiges bereits im Gang, auch in Österreich“; Frauen seien hierzulande bereits in verantwortlichen Positionen wie etwa als Pastoralamtsleiterinnen oder Kanzlerinnen tätig. Die rechtlichen Möglichkeiten müssten dennoch in noch größerem Stil umgesetzt werden.

„Geltende Normen“ wichtig

„Solange die Gedanken zur Reform nur Wünsche des Papstes sind, sich aber nicht in konkreten Gesetzen niederschlagen, haben sie für die Kirche nur geringe Auswirkungen“, sagte Rees. Franziskus spreche Dinge an, bei denen es wichtig wäre, „das nicht nur anzusprechen, sondern auch in geltende Normen zu kleiden“, so der Tiroler Kirchenrechtler.

Explizit das Kirchenrecht geändert habe der Papst hingegen durch die Einführung verkürzter Eheannullierungsverfahren mit Wegfall der Zweiten Instanz. Für die Gläubigen sei dieser Wegfall sowie auch das Kurzverfahren vor dem Bischof, der in seiner Verantwortung als Richter innerhalb der Diözese herausgestellt wird, sicher eine Erleichterung und wertvolle Hilfe.

Dennoch gibt es nach dem Befinden von Rees auch hier Probleme, gehe es doch „um die Entscheidung über das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Sakraments, die keinesfalls leichtfertig, sondern aus Verantwortung und mit Rechtssicherheit getroffen werden muss“.

„Franziskus ist Glücksfall“

In Summe sei Franziskus jedoch ein „Glücksfall für die Kirche“, betonte Rees. Er sei ein Papst, der „nicht so sehr um den Verlust von Wahrheit und Tradition fürchtet, sondern eine zeitgemäße Pastoral, eine offene Kirche und die Sorge um Menschen am Rande oder in schwierigen Situationen einfordert“. Ob sich die in letzter Zeit erstarkten „Konflikte mit den Beharrenden“ durchsetzen würden, sei kaum abschätzbar. Seiner Einschätzung nach hätte Franziskus jedoch momentan nicht mehr die Mehrheit der Kardinäle hinter sich wie noch bei seiner Wahl 2013.

Wünschenswert wäre jetzt, dass die Anliegen von Franziskus „nicht nur Visionen bleiben“, so der Kirchenrechtler. Dazu müssten sie „im Miteinander, unter stärkerer Berücksichtigung der Mitverantwortung aller Gläubigen, das heißt auch der Stärkung und Durchführung von Synoden, in geltendes Recht umgesetzt“ werden.

religion.ORF.at/KAP

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