Muslimevertreter reagieren auf Kindergartenstudie

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) reagiert mit einer Bildungsoffensive auf die am Donnerstag erstmals komplett präsentierte Kindergartenstudie.

2015 hatte Ednan Aslan, Professor am Institut für Islamisch-theologische Studien der Universität Wien, eine vieldiskutierte Pilotstudie zu der als „Kindergartenstudie“ bekanntgewordenen Forschungsarbeit veröffentlicht. Das nun überraschende Ergebnis der gesamten Studie: Es sei ein „bedenklicher“ Rückgang von Religion zu verzeichnen.

„Dramatischer Rückgang von Religion“

„Wir können sehr klar nachweisen, dass es insbesondere seit 2015 einen dramatischen Rückgang von Religion, vor allem in Einrichtungen, die einen Bezug zum Islam haben, gibt“, sagte Henning Schluß von der Uni Wien bei der Präsentation. Das sei keine positive Entwicklung, sondern „bedenklich“, so Schluß, der die Ergebnisse der Studie gemeinsam mit weiteren Vertretern des sechsköpfigen Wissenschaftsteams präsentierte.

Carla Amina Baghajati

APA/Georg Hochmuth

Carla Amina Baghajati

Die Diskussion, die seit 2015 gelaufen sei, habe zu einer Stigmatisierung von islamischen Kindergärten und -gruppen geführt, sodass diese entweder von sich aus alle Bezüge zum Islam im Alltag der Einrichtungen kappten bzw. von der Aufsicht stark darauf hingewiesen wurden. Diese Zurückdrängung der Religion kritisiert die IGGÖ nicht nur unter dem Aspekt eines Einschnitts in die Religionsfreiheit. Die Studienautoren würden auch die Notwendigkeit ansprechen, Religion im Kindergartenalter als Bildungsgegenstand zu behandeln, um den Umgang mit Verschiedenheit entwickeln zu können.

„Erziehung zu Mündigkeit“

Die IGGÖ forciere nun die Entwicklung eines religionspädagogischen Bildungsplans im Bereich der Elementarpädagogik, wie sie in einer Aussendung am Donnerstag schrieb. Wie der kürzlich vorgestellte Kriterienkatalog für Moscheen und Imame einen gemeinsamen Rahmen schaffe, solle auch „jetzt miteinander ein Prozess gestaltet werden, der dem gemeinsamen Interesse dient, Kindern bereits durch die Elementarpädagogik beste Bildungsvoraussetzungen mitzugeben“. Dabei werde auch „zu reflektieren und formulieren sein, was einen professionellen pädagogischen Umgang mit Religion von Indoktrination unterscheidet“. „Die Erziehung zu Mündigkeit fängt bereits im Kindergartenalter an“, so die IGGÖ.

Ausgrenzung als Problem

Was den Vorwurf der „Parallelgesellschaft“, wie er in der Debatte seit 2015 „zunehmend stigmatisierte oder gar dämonisierte“, angeht, so könne durch die Ergebnisse der Studie reflektiert werden, wie Inklusion tatsächlich zu leisten sein könnte. Schluß brachte es bei der Präsentation wie folgt auf den Punkt: „Nicht mit Abgrenzung, sondern mit Ausgrenzung haben wir es zu tun.“

„Dringend notwendige Versachlichung der Debatte“

Carla Amina Baghajati von der IGGÖ betrachtet die Studie selbst als „Motivationsschub“, Maßnahmen „von muslimischer Seite nun entschlossen und selbstbewusst voranzutreiben“. Wichtig dafür sei die Einbeziehung der muslimischen Betreiber. Aber auch der Dialog mit Experten und Verantwortlichen der Stadt Wien sowie der Erfahrungsaustausch mit anderen konfessionellen Einrichtungen seien wichtig. Einerseits zeige die Studie die „dringend notwendige Versachlichung der Debatte“, andererseits würden die Bereiche benannt, in denen Handlungsbedarf bestehe, so die IGGÖ. Handlungsbedarf gebe es aber bei Weitem nicht nur in islamischen Kindergärten.

Erstsprache wichtig für Zweitsprache

Der vergleichende Zugang von islamischen mit christlich-konfessionellen und nicht religiösen Einrichtungen mache deutlich, dass etwa mangelnde Ausbildung des beschäftigten Personals allgemein Qualitätseinbußen mit sich bringe. Auch in der Erziehungspartnerschaft, also der Zusammenarbeit mit den Eltern, gebe es Verbesserungsbedarf, der alle Einrichtungen - nicht nur die islamischen - betreffe, so Baghajati.

Die IGGÖ kritisiert, dass, wer den Fokus vor allem auf den Erwerb der deutschen Sprache lege und daher die Erstsprache nicht wertschätze, gerade nicht zu einer guten Sprachentwicklung beitrage. Denn Voraussetzung für das Erlernen einer Zweitsprache sei das gute Erlernen der Erstsprache.

gold, religion.ORF.at/APA

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