Anglikanerprimas für „offene Grenzen“ der Kirchen

Für „offene Grenzen“ zwischen den Kirchen hat das Oberhaupt der weltweiten „Anglikanischen Kirchengemeinschaft“, Erzbischof Justin Welby von Canterbury, am Sitz des Weltkirchenrats in Genf plädiert.

Das Plädoyer des Erzbischofs bildete am Wochenende den Auftakt zu den 70-Jahr-Feiern des Weltrats der Kirchen, der am 23. August 1948 in Amsterdam gegründet worden ist. Welby erinnerte daran, was Grenze bedeute, sie zeige einen Unterschied an, die Präsenz des „Anderen“, der „anderen“ Kultur, der „anderen“ Nation usw. Für die Kirchen komme es darauf an, wie sie Grenze leben wollen, „als Raum der Abschließung oder als offene Tür“.

Abschließung ein „Bankrott“

„Die offenen Grenzen erlauben dem ‚Anderen‘, Teil von uns zu werden. Sie erlauben Bewegung, sie betonen nicht die Trennung, sondern die Verschiedenheit. Durch ihre Öffnung laden sie zur Begegnung ein.“ Freilich sei die Praxis der „offenen Grenzen“ nicht einfach, „weil wir uns so viele Jahrhunderte an Frontlinien gewöhnt haben“. Sie würden als „normal“ betrachtet. Aber das sei nicht so, betonte der Erzbischof. Die Abschließung sei vielmehr ein „Betrug“ und ein „Bankrott“.

Anglikanerprimas Justin Welby

APA/AFP/Ashraf Shazly

Justin Welby

Welby sprach sich in Genf für einen „Ökumenismus der Tat“ aus. Dieser bedeute, dass sich die Christen angesichts des Bösen zusammenschließen und zeigen sollen, dass sie eins sind. Es bestehe aber auch die Gefahr, dass der „ecumenism of action“ zu einem Ökumenismus der Nützlichkeit wird, so der Erzbischof von Canterbury.

„Wir können leicht in die Falle gehen, zu meinen, dass wir wenigstens etwas ‚Nettes und Nützliches‘ gemeinsam tun können, wenn wir schon nicht übereinstimmen.“ Eine solche Haltung würde die Natur des „ecumenism of action“ gründlich missverstehen: „Auch wenn die Welt laut um Hilfe ruft, dürfen wir nicht zu pragmatisch werden und die theologischen Grundlagen einfach beiseiteschieben.“

Theologie nicht „außen vor“ lassen

Der „Ökumenismus der Tat“ könne die Theologie nicht „außen vor“ lassen. Eine der genialen Intuitionen des Weltkirchenrats sei es von Anfang an gewesen, die theologischen, diakonalen und missionarischen ökumenischen Bewegungen zusammenzuhalten. „Der theologische Dialog und die Diskussion bringt die Leute näher zusammen und baut das Gerüst für die gemeinsame Aktion. Aber auch die gemeinsame Aktion bringt die Leute näher zusammen und schafft die Beziehung, die den theologischen Dialog und die Diskussion ermöglicht“, sagte Welby in diesem Zusammenhang.

Dialog nicht vergeblich

Der theologische Dialog habe viele Früchte gebracht, unterstrich der Anglikanerprimas. Im 20. Jahrhundert sei es zu einer wichtigen theologischen und lehrmäßigen Annäherung zwischen den Kirchen gekommen. Freilich habe schon vor 25 Jahren der damalige Generalsekretär des Weltkirchenrats erstmals von einem „ökumenischen Winter“ gesprochen.

Aber auch dieser „Winter“ habe wichtige Früchte gebracht, theologische Übereinkünfte, die nach wie vor den Weg der Kirchen zur Einheit prägen, betonte Welby. In diesem Zusammenhang zitierte der anglikanische Erzbischof den früheren Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, der das Buch „Harvesting the Fruits“ (Die Früchte ernten) geschrieben habe. Welby: „Es kann also einen ökumenischen Winter gegeben haben, aber es war ein Winter, in dem viele Früchte geerntet wurden.“

350 Kirchen im Weltkirchenrat

Derzeit gehören 350 Kirchen - zumeist reformatorischer, anglikanischer, orthodoxer, orientalisch-orthodoxer, altkatholischer Tradition - mit rund 600 Millionen Mitgliedern dem Weltkirchenrat an. Die römisch-katholische Kirche ist dabei nicht vertreten, mit ihr besteht ein Kooperationsverhältnis. In der Weltkirchenrats-Kommission für Glaube und Kirchenverfassung („Faith and Order“) ist die katholische Kirche Vollmitglied.

Auch in Österreich steht ein Jubiläum bevor: Vor 60 Jahren wurde der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) begründet. Heute gehören dem ÖRKÖ alle in Österreich präsenten Kirchen - auch die römisch-katholische - an, die auf der Grundlage der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse stehen.

religion.ORF.at/KAP

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