EuGH schränkt Rechte kirchlicher Arbeitgeber ein

Kirchliche Arbeitgeber dürfen nicht bei jeder Stelle von Bewerbern eine Religionszugehörigkeit fordern. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Dienstag zu einem Fall aus Deutschland.

Zur Bedingung darf die Zugehörigkeit zu einer Konfession nur gemacht werden, wenn dies für die Tätigkeit „objektiv geboten“ ist. Außerdem muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. (Rechtssache Nr. C-414/16) Damit fällte der EuGH ein weitreichendes Grundsatzurteil.

Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung hatte in einer Stellenausschreibung für eine befristete Referentenstelle für das Projekt „Parallelberichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention“ die Zugehörigkeit zu einer protestantischen Kirche gefordert. Bewerber sollten diese auch in ihrem Lebenslauf ausweisen.

Konfessionslose Bewerberin beklagte Diskriminierung

Eine konfessionslose Bewerberin wurde nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Da sie annahm, sie habe die Stelle wegen ihrer Konfessionslosigkeit nicht bekommen, verklagte sie die evangelische Institution und forderte knapp 10.000 Euro Entschädigung.

Der Fall ging in Deutschland mit widersprüchlichen Urteilen durch die Instanzen. Das Bundesarbeitsgericht bat die Kollegen in Luxemburg schließlich um Auslegung des EU-Diskriminierungsverbots.

Glaube als Jobkriterium muss „gerechtfertigt“ sein

Der EuGH stellte grundsätzlich fest, dass die Antidiskriminierungsrichtlinie eine Abwägung erfordere zwischen dem kirchlichen Privileg auf Selbstbestimmung und dem Recht eines Bewerbers, nicht wegen der Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden. Zwischen beidem sei ein „angemessener Ausgleich“ herzustellen. Die Abwägung müsse im Fall eines Rechtsstreits eine unabhängige Stelle und letztlich ein Gericht überprüfen können.

Kirchen dürften zwar eine „mit der Religion oder Weltanschauung zusammenhängende Anforderung“ stellen. Dies gelte aber nur, wenn diese Bedingung bei der jeweiligen Tätigkeit „eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation“ darstelle. Die Entscheidung zu dem Einzelfall muss das Gericht in Deutschland treffen und das EuGH-Grundsatzurteil berücksichtigen.

Diakonie: EuGH „bestätigt Kirche“

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bestätigt nach Darstellung der Diakonie die Haltung der Kirchen in dieser Frage. Die Kirchen behielten das letzte Wort, wenn es darum gehe, ob sie für bestimmte Positionen eine Religionszugehörigkeit fordern dürfen. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht bleibe damit der wesentliche Faktor bei Abwägungsentscheidungen, erklärte Jörg Kruttschnitt, Rechtsvorstand des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung am Dienstag.

Die Diakonie bekräftigte die Wichtigkeit ihrer evangelischen Prägung. Diese hänge an ihren Mitarbeitern, erklärte Kruttschnitt am Dienstag in Berlin. Das Urteil müsse noch ausgewertet werden, um mögliche Auswirkungen auf die Personalauswahl abzuschätzen.

Zudem müsse die nun ausstehende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts abgewartet werden. Diese werde dann verfassungsrechtlich zu analysieren sein, erklärte Kruttschnitt. Zum konkreten Fall erklärte er, die Bewerberin sei „aufgrund mangelnder fachlicher Voraussetzungen nicht für ein Vorstellungsgespräch berücksichtigt worden“. Kruttschnitt betonte, ihre fehlende Kirchenzugehörigkeit sei „von zweitrangiger Bedeutung“ gewesen.

„Christliche Perspektive“ unabdingbar

Für die Stelle wurde demnach ein Bewerber ausgewählt, der die erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllte. Zudem gehörte er einer christlichen Kirche an. Dies habe das Stellenprofil für die befristete wissenschaftliche Referententätigkeit zur Erstellung eines Berichts zur Antirassismuskonvention der Vereinten Nationen verlangt, erklärte Kruttschnitt. „Eine christliche Perspektive war für die Beurteilung der Konvention durch unser Haus unabdingbar.“

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi begrüßte das Urteil. „Bei verkündigungsfernen Tätigkeiten gilt: Kirchliche Arbeitgeber dürfen bei Einstellungen ausschließlich die Qualifikation und Eignung berücksichtigen - das ist jetzt auch gerichtlich überprüfbar“, erklärte Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler und ergänzte: „Der Sonderstatus der Kirchen ist ein Relikt vergangener Zeiten, er hätte längst abgeschafft werden müssen.“

Beschäftige auch stärker geschützt

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) erklärte, die Kirchen könnten künftig von ihren Beschäftigten nicht mehr pauschal eine bestimmte Religionszugehörigkeit verlangen. Zugleich könnten Bewerber und auch Beschäftigte der Kirchen Diskriminierung jetzt gerichtlich überprüfen lassen. „Bislang war das nur eingeschränkt möglich“, sagte ADS-Leiterin Christine Lüders.

Sie rief die Kirchen auf, aus dem Urteil entsprechende Konsequenzen zu ziehen: „Die Kirchen müssen ab jetzt für jedes einzelne Arbeitsverhältnis nachvollziehbar und gerichtsfest begründen können, warum eine bestimmte Religionszugehörigkeit dazu zwingend notwendig sein soll.“

religion.ORF.at/dpa

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