Kriegsspiel in ATIB-Moschee: IGGÖ fordert Aufklärung

Nach einem Bericht der Wochenzeitung „Falter“ über Buben, die in einer Moschee des türkisch-islamischen Moscheevereins ATIB in Tarnuniform exerzierten, hat sich die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) eingeschaltet und ATIB zum Handeln aufgerufen.

Im Internet waren Fotos aufgetaucht, die Buben beim Exerzieren in Tarnuniform zeigen - und zwar in einer Moschee von ATIB (Türkisch Islamische Union für Kulturelle und Soziale Zusammenarbeit in Österreich) im Bezirk Brigittenau. Mehrere Buben salutieren darauf vor der türkischen Flagge, auch Mädchen mit Kopftuch sind darauf zu sehen.

Esad Memic, Vizepräsident der IGGÖ, mutmaßte, dass es sich wohl um eine Veranstaltung zum Gedenken an die Schlacht von Gallipoli (auch bekannt als Schlacht von Canakkale) gehandelt habe, „wie sie in der Türkei üblich sind“. In der Schlacht von Gallipoli kämpfte das osmanische Heer im Jahr 1915 erfolgreich gegen australische und neuseeländische Truppen. Im März und April finden in der Türkei daher viele Gedenkveranstaltungen statt. Doch „dies in einer österreichischen Moscheeräumlichkeit abzuhalten, bringt eine Optik mit sich, die das Ansehen der Muslime in Österreich schwer schädigen kann“, so Memic.

ATIB muss öffentlich „Stellung beziehen“

Es stehe im Raum, dass die „damalige Opferbereitschaft“ instrumentalisiert wurde, um in Hinblick auf aktuelle kriegerische Konflikte „das türkische Nationalgefühl und die Märtyrerbereitschaft“ zu stärken. „Dass Kinder herangezogen wurden, wirkt dabei besonders verfehlt“, so Memic.

Die IGGÖ fordert vom Moscheeverein nun eine klare und unmissverständliche Stellungnahme zu den Vorfällen: „Wir erwarten uns hier nicht nur eine umfassende interne Klärung und Maßnahmen, sondern auch eine Information der Öffentlichkeit“, heißt es in der Aussendung der Glaubensgemeinschaft.

IGGÖ erinnert „eindringlich“ an Sinn von Moscheen

Die IGGÖ verwies zudem auf einen „erst vor wenigen Wochen“ gemeinsam verabschiedeten Kriterienkatalog für Moscheen. „Sehr eindeutig“ hieße es darin: „Programme für Kinder und Jugendliche sollten immer kindgerecht und pädagogisch qualitätsvoll sein und das Kindeswohl im Zentrum sehen.“ Im Kriterienkatalog seien die Verankerung am Lebensmittelpunkt Österreich und die damit verbundenen Werte betont worden.

„Eindringlich“ erinnere die Glaubensgemeinschaft daran, dass Moscheen „ein Ort des Friedens und der spirituellen Stärkung sein sollen“. Wolle man in Freitagspredigten oder anderen Veranstaltungen auf die Geschichte oder aktuelle Ereignisse Bezug nehmen, so solle dies „positive Reflexionsräume eröffnen, um friedliche Wege der Konfliktlösung zu stärken“, so die IGGÖ. Aufgrund der Verflochtenheit der Ereignisse von Gallipoli mit der österreichischen Geschichte hätte es andere Möglichkeiten der Erinnerungskultur gegeben.

Jugendamt und Kultusamt prüfen

Die Bilder aus der ATIB-Moschee wurden Mitte März auf der Facebook-Seite des Gebetshauses veröffentlicht. Das Jugendamt sei angewiesen worden, die mutmaßlich „jugendgefährdenden Umtriebe“ in der Einrichtung zu untersuchen, bestätigte das Büro von Stadtrat Jürgen Czernohorsky (SPÖ) den Bericht des „Falter“.

Das Amt für Jugend und Familie prüft nun im Auftrag der Stadt Wien eine mögliche Kindeswohlgefährdung. Die Bilder seien „extrem verstörend“, hieß es gegenüber der APA aus dem Büro des Stadtrats. ÖVP-Kanzleramtsminister Gernot Blümel reagierte auf den „Falter“-Bercht, indem er das beim Bundeskanzler angesiedelte Kultusamt mit einer „genauen Prüfung aller Fakten“ beauftragte, wie er am Dienstag erklärte. Er sei von den Vorkommnissen „entsetzt“.

ATIB größter Moscheeverband

ATIB ist der größte islamische Dachverband und betreibt in Österreich 65 Moscheen. In der Vergangenheit war der Verein wegen seiner engen Beziehungen zur türkischen Regierung in Kritik geraten. 2017 baute ATIB deshalb seinen Vorstand um, und erklärte sich von jeglichen Parteien im In- und Ausland „unabhängig“.

religion.ORF.at/APA

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