Ordensfrau Megan Rice

ORF

Eine Ordensfrau mit Vorstrafenregister

Wer denkt, er habe in Megan Rice bloß eine freundliche, betagte Dame vor sich, der irrt. Die 85-jährige Ordensschwester ist vieles, aber bestimmt nicht angepasst: Die Ordensfrau des katholischen Ordens „Society oft he Holy Child Jesus“ hat ein stattliches Vorstrafenregister.

Sendungslogo "FeierAbend"

ORF

Sendungshinweis

FeierAbend,
26.12.2015, 19.50 Uhr, ORF 2

Seit den 1980er Jahren ist Megan Rice in der US-amerikanischen Friedensbewegung aktiv. Ihr Ziel: das Ende aller Massenvernichtungswaffen auf herbeizuführen. Ihr Einsatz: das eigene Leben. Wer Megan Rice’ Lebensweg genauer betrachtet, ahnt schnell: ihre Mission ist radikal und für sie eine Verpflichtung vor Gott.

Dutzende Male wurde Megan Rice bereits wegen zivilen Ungehorsams festgenommen. Es ist also nichts Neues, als die Ordensschwester im Februar 2014 wieder einmal vor dem Richter steht. Doch diesmal wird sie wegen Beschädigung von Staatseigentum und Sabotage zu zwei Jahren und 11 Monaten Haft verurteilt – die bisher längste Gefängnisstrafe, die sie für ihren Einsatz als Friedensaktivistin kassiert. Für eine Tat, an der sie nur eines bereut: dass sie sie nicht schon viel früher begangen hat.

Gemeinsam mit zwei Mitstreitern organisierte die heute 85-jährige Ordensschwester eine Protestaktion gegen die kerntechnische Anlage des Y-12 National Security Complex, in dem im Auftrag der US-Regierung unter anderem an der Erforschung und Herstellung nuklearer Waffen gearbeitet wird.

Ordensfrau Megan Rice

ORF

Ausgestattet mit Spraydosen, mehreren Flaschen menschlichen Blutes, Transparenten mit ihren Botschaften und frisch gebackenem Brot als Zeichen ihrer friedvollen Absichten, startet das Trio seinen Versuch, auf das Gelände des weiträumig abgesperrten Komplexes zu gelangen. Davon ausgehend, dabei schnell entdeckt und gefasst zu werden, waren sie völlig konsterniert, als sie tatsächlich bis ins Innerste der Anlage vordringen konnten und so, ganz unerwartet, auch noch eklatante Sicherheitsmängel aufdeckten.

Ordensfrau Megan Rice

ORF

Bei der Festnahme unter „Alarmstufe Rot“ hatten die Wachmannschaften das Recht zum tödlichen Gebrauch ihrer Schusswaffen ohne Vorwarnung. Die Aktion blamierte die US-Sicherheitsbehörden, der Fall ging rund um die Welt, entsprechend drakonisch die Maßnahmen der Justiz. Doch Ängstlichkeit ist nicht die hervorstechendste Eigenschaft der Ordensschwester.

Bereits in jungen Jahren ist Megan Rice eine Frau der Extreme: Anfang der 1960er Jahre geht sie nach Nigeria, um dort als Lehrerin zu unterrichten - in einem fremden Land, das damals in einer Zerreißprobe aus Unabhängigkeitskampf, Militärdiktatur und Biafra-Krieg steckt. Die junge Nonne fühlt sich ob ihrer Herkunft aus dem New Yorker Bildungsbürgertum der 1930er und 1940er Jahre als privilegiert und daher verpflichtet, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.

Christlich erzogen, wuchs sie in einem multireligiösen Umfeld auf, welches sie Offenheit, Toleranz und Respekt gegenüber allen Religionen und Gesellschaftsgruppen lehrte. Fernab ihres boomenden Heimatlandes der unbegrenzten Möglichkeiten, auf dem von postkolonialen Auseinandersetzungen geprägten, bitterarmen afrikanischen Kontinent, wird der christliche Glaube zum Katalysator für ihren Einsatz gegen Armut und Krieg.

Konsequenzen scheut sie dabei bis heute nicht – solange sie ihr Tun durch den Glauben gedeckt sieht. Und der fordert ihrer Meinung nach nicht nur das Gebet, sondern auch aktiven Einsatz: „Für mich gibt es keine Trennung zwischen dem Glauben und dem täglichen Leben. Ich lebe meinen Glauben und er inspiriert mich immer wieder aufs Neue, mich für ein besseres Leben auf dieser Welt einzusetzen. Und was unsere letzte Aktion in der Atomforschungsanlage angeht, kann ich nur sagen, dort reinzukommen war ein Kinderspiel und sicher nicht Gottes Werk. Dass uns dabei nichts passiert ist, dafür danke ich Gott.“

Ordensfrau Megan Rice

ORF

Die Verurteilung wegen Sabotage wurde mittlerweile von einem Revisionsgericht aufgehoben, weshalb Schwester Megan Rice nach rund einem Jahr Haft wieder entlassen wurde und heute in einem Ordenshaus in Washington D.C. lebt. Man könnte meinen, diese Strapazen hätten die 85-Jährige in die Knie gezwungen und zum Aufhören bewegt. Doch gemeinsam mit ihren Mitstreitern der pazifistischen Aktivistengruppe „Transform Now Plowshares“ bereitet sie bereits die nächsten Protestaktionen vor.

Denn ihre Überzeugung sei nach wie vor ungebrochen, sagt sie, und fügt mit einem Lächeln hinzu: „Von meinem Glauben werde ich bis zum letzten Tag auf Erden nicht ablassen, genauso wenig wie von weiteren Friedensaktionen. Aber die werde ich bestimmt nicht vorab öffentlich ankündigen...“

Ein Film von Magdalena Maier und Peter Kullmann
Redaktion: Barbara Krenn