zwei Pfarrerinnen am Altar, die eine sinkt ihr Haupt, die andere breitet ihre Arme weit aus

Marco Uschmann/epd

„Den Segen schmecken“

Mitten in den Weingärten von Gols im Burgenland, einem der bedeutendsten Weinorte Österreichs, dankte die Evangelische Gemeinde für die Ernte. Mit ihr feierten Pfarrerin Ingrid Tschank und Pfarrerin Iris Haidvogel unter freiem Himmel.

MUSIK

Maiglöckerl-Boarischer

Herr, die Erde ist gesegnet

Let The Sea Resound

Everlasting God

Walzer für d’Monika

Güssinger Arie 1

Himmel, Erde, Luft und Meer

Du bist der Weinstock,
wir sind die Reben

Den Segen Gottes sehen

Mazurka Nr. IV aus Strebersdorf

Ensemble Qu(!)etschfidel
Leitung: Jürgen Stampfel

Swinging Voices
Leitung: Peter Korda

SingStars
Leitung: Jennifer Jakob,
Mareen Osterloh

Evangelischer Posaunenchor Zurndorf
Leitung: Robert Salzer

Du machst die Gestalt der Erde neu

Lesung: Psalm 104

Lobe den Herrn, meine Seele!
Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich.
Der du das Erdreich gegründet hast auf festen Boden, dass es bleibet immer und ewiglich. Du feuchtest die Berge von oben her, du machst das Land voller Früchte, die du schaffest. Du lässt Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, dass du Brot aus der Erde hervorbringst, dass der Wein erfreue des Menschen Herz und sein Antlitz schön werde vom Öl und das Brot des Menschen Herz stärke.

Es warten alle auf dich, dass du ihnen Speise gibst zur rechten Zeit. Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie; nimmst du weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder Staub. Du sendest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du machst neu die Gestalt der Erde. Die Herrlichkeit des Herrn bleibe ewiglich, der Herr freue sich seiner Werke! Lobe den Herrn, meine Seele! Halleluja!

Schmeckt und seht selbst!

Lesung: Psalm 34

Ich will den Herrn preisen zu jeder Zeit. Sein Lob soll stets aus meinem Mund kommen. Mit ganzer Seele möchte ich den Herrn rühmen. Die Armen sollen es hören und sich freuen. Preist mit mir die Größe des Herrn! Lasst uns gemeinsam seinen Namen hochleben!

Als ich den Herrn suchte, antwortete er mir, er zog mich heraus aus allen meinen Ängsten. Wer sein Angesicht erblickt, strahlt vor Freude, niemand wird vor Scham erröten. Hier steht ein armer Mensch, der um Hilfe rief. Der Herr hörte es und rettete ihn aus aller Not. Der Engel des Herrn lässt sich nieder bei denen, die dem Herrn mit Ehrfurcht begegnen. Er schützt sie von allen Seiten und rettet sie.

Schmeckt und seht selbst, wie gut der Herr ist! Glücklich ist, wer bei ihm Zuflucht sucht. Verehrt den Herrn, ihr Heiligen aus seinem Volk! Ja, wer ihn verehrt, dem fehlt es an nichts. Junge Löwen hatten nichts und mussten hungern, doch wer den Herrn sucht, hat mehr als genug.

Auch in meinem Leben neue Ernte

Predigt von Iris Haidvogel

Als Kinder haben wir jeden Tag neue Dinge entdeckt, uns verkleidet, sind in den See gesprungen und haben stundenlang bei Sonne und Regen draußen gespielt. Plötzlich wird eine krank, bekommt Fieber und ist ganz hilflos. Bei mir zu Hause gab’s dann Apfelkompott. Meine Mutter nahm die säuerlichsten Äpfel, kochte sie mit ein wenig Zucker auf, gab getrocknete Nelken dazu und fütterte mich damit im Bett. Wenn ich heute Apfelkompott für meine Kinder koche, steigt mir dieser vertraute Geruch in die Nase, und mit jedem Bissen liegen mir auch die Erinnerungen auf der Zunge. Ich schmecke auch heute noch die Liebe und Fürsorge, die meine Mutter damals in dieses einfache Gericht gelegt hat.

Schmecken ist eben vielmehr als nur Essen und Trinken. Es ist eine Erfahrung, die wir mit unserem ganzen Körper machen. Das spiegeln wir mit unserem Gesichtsausdruck wieder, wenn wir in einen sauren Apfel beißen oder uns ein süßes Stück Schokolade auf der Zunge zergehen lassen.

Schmecken ist begleitet von tiefen Gefühlen, vom Ekel über die schlecht gewordene Milch bis zur Freude angesichts eines guten Glases Wein oder dem ersten Bissen in ein frisch gebackenes Brot. Der Geschmackssinn gehört zu unseren allerersten Sinneseindrücken, und noch im Bauch der Mutter werden wir durch das, was sie isst, auf Geschmacksvorlieben geprägt, die uns später ein Leben lang begleiten. Und doch ist unser Geschmack nicht festgeschrieben: Was wir als Kind vielleicht bitter und widerlich fanden, sei es Kaffee oder auch Bier, das kann als Erwachsener zu unserem Lieblingsgetränk werden. Jeder Geschmack, viele vertraute Speisen und Nahrungsmittel sind schließlich verknüpft mit Erlebnissen und Erinnerungen, positiven wie negativen. Genauso wie mein Apfelkompott, in dessen Geschmack für mich heute noch die Zuwendung und die Liebe meiner Mutter spürbar wird.

Wenn wir also Liebe schmecken können, in Speisen, die jemand für uns zubereitet hat oder die wir voll Zuneigung für andere kochen, dann frage ich mich: Kann man auch Segen schmecken?

Natürlich – und für mich schmeckt er ein bisschen so wie das Apfelkompott meiner Mutter. Denn wenn Gott uns segnet, hat er etwas Ähnliches im Sinn wie eine Mutter, die ihr Kind umsorgt. Er will uns stärken und aufrichten, begleiten und behüten und uns damit seine Liebe und Zuwendung spüren und schmecken lassen. Wenn Gott uns Menschen segnet, will er uns Fülle und Zufriedenheit schenken auf unseren Feldern und in unserem Leben.

Für mich als berufstätige Frau und Mutter ist das Leben manchmal pures Chaos. Da gibt es so viele Wünsche und Bedürfnisse, Termine, die schwer unter einen Hut zu kriegen sind, schlaflose Nächte, Missverständnisse, wenig Zeit für die Beziehung oder für mich selbst. Und doch ist es pures Glück, die Liebe, die sie mir schenken, die Entdeckungen, die wir miteinander machen, das Gefühl, gebraucht zu werden. Ein wahrer Segen.

Wenn wir uns so gesegnet fühlen, können wir die Worte des Psalms mit leichtem Herzen mitsprechen. Denn dann sehen und schmecken wir tatsächlich, wie freundlich Gott ist, und können ihn voll Überzeugung loben und ihm für seinen Segen danken.

Doch was ist, wenn mir nichts mehr schmeckt? Wenn alles schief geht und ich keine Lust habe zu danken? Wenn ich Gott nicht mehr spüren kann? Was bleibt mir übrig, wenn meine Tage bitter geworden sind und mein Leben eintönig? Wer schenkt mir Trost, wenn mein Glas und mein Teller leer bleiben oder wenn niemand da ist, mit dem ich mein Essen teilen kann? Wie lebe ich weiter, wenn ich mich nicht gesegnet fühle, sondern im Gegenteil von den Menschen enttäuscht und von Gott verlassen?

In diesem Jahr ist bei uns in Gols der Segen bei der Weinernte nicht so reichlich ausgefallen. Der starke Frost hat viele junge Triebe zerstört, und es gibt 60% weniger Ernte. Kann man da mit ganzer Kraft loben und danken? Überall auf der Welt sind Menschen vom Leben enttäuscht, fühlen sich ausgeschlossen und übergangen, sie fragen sich, warum gerade sie nicht gesegnet sind, sei es mit Wohlstand, einer liebevollen Partnerschaft oder Erfolg. Viele hadern dann mit Gott, gehen auf Distanz oder brechen den Kontakt zu ihm ganz ab. Sie wollen nichts von Gott sehen, nichts hören und schon gar nichts schmecken. Sie fragen sich: Wie lebe ich weiter, wenn ich mich nicht gesegnet fühle?

Jesus Christus sagt zu uns: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ Die Wurzeln des Weinstocks gehen tief, tiefer als bei jeder anderen Pflanze. Dadurch werden die Reben selbst bei langer Dürre oder starkem Frost noch mit Wasser und Nährstoffen versorgt und können auch nach schwierigen Jahren wieder frisch austreiben und reiche Ernte bringen.

Wir Christinnen und Christen sind durch unsere Taufe fest und untrennbar verbunden mit Jesus Christus. Er ist der Weinstock und wir seine Reben. Und genau wie der Weinstock seine Reben stets hält, sie fest und tief verwurzelt, sie nährt und sie immer wieder zum Blühen bringt, so bin ich durch Jesus Christus stets fest verwurzelt mit Gott. Ich darf darauf hoffen, dass auch in meinem Leben eine neue Blüte kommen wird und mit ihr eine neue Ernte.

Wenn ich den Mut habe, mich auf Gott einzulassen, wird er mich immer wieder neu berühren. Wenn ich – wie im Psalm – nach Gott rufe und ihn suche, werde ich auch seine Antwort hören. Manchmal hilft es auch einfach loszugehen, zu vergessen, was man weiß, was man meint, was sich gehört, nicht mehr zu planen. Offen zu sein. Neues entdecken. Dann wird er mir begegnen. Und es wird ein Segen sein!

Vielleicht schmeckt diesen Segen dann nicht nur nach meinem Apfelkompott, sondern ganz unerwartet und voller Kraft. Wie gutes Glas Wein unter Freunden, wie eine warme Suppe an einem kalten Abend oder wie frisches Wasser direkt aus der Quelle. Wenn mich Gottes Segen neu berührt - wie zum 1. Mal, dann lässt er mich blühen, wachsen und reifen. Danke Gott, guid is. Amen.

Aktuelles in der Pfarrgemeinde

www.evang-gols.at

Kontakt

Evangelische Pfarrgemeinde
Dr. Martin Luther-Platz 1
7122 Gols
Österreich

gottesdienst@orf.at

Redaktion

Thomas Bogensberger

Bildregie

Verena Maria Kalenda