Venedig

ORF/Martin Cargnelli

Venedig und das Ghetto und Hotel Hoffnung

Venedig – die prächtigste Kulisse der Welt, millionenfach besucht, millionenfach fotografiert, steckt dennoch voller Geheimnisse. Das „magdas Hotel“ in Wien ist eine Herberge der etwas anderen Art. Sämtliche Mitarbeiter des Hotels sind in Österreich anerkannte Flüchtlinge.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 20. Dezember 2016
um 22.35 Uhr, ORF 2

Wiederholung:

Mittwoch, 21. Dezember 2016
um 20.15 Uhr, ORF III

„kreuz und quer“ – präsentiert von Doris Appel – zeigt um 22.35 Uhr in ORF 2 „Venedig und das Ghetto“, um 23.20 folgt „Hotel Hoffnung“.

Venedig und das Ghetto

Touristen gehen oft achtlos daran vorüber, wie an jenen rätselhaften Zeichen, denen die TV-Dokumentation „Venedig und das Ghetto“ folgt. Sie erzählen von der fünfhundertjährigen Geschichte der jüdischen Bevölkerung Venedigs, von Unterdrückung und Entbehrung, aber auch von Lebenswillen und Freude – und führen an einen Ort, der heute zu den belebtesten und beliebtesten Stadtteilen Venedigs gehört.

Am 29. März 1516 fasste die Republik Venedig einen Beschluss mit weitreichenden Folgen: Sie wies den Juden ein Gebiet zu, in dem sie von nun an abgetrennt von der übrigen Bevölkerung leben mussten. Es war ein ödes Areal am Stadtrand, „Ghetto“ genannt. Von hier aus verbreitete sich der Begriff auf der ganzen Welt als Synonym für Ausgrenzung und Verfolgung.

Venedig Ghetto

ORF/Metafilm/Klaus Steindl

In Venedig kam es anders: Das Ghetto ist heute ein Ort der Begegnung und ein beliebtes, bunt gemischtes Wohnviertel mit hoher Lebensqualität. Wie kein anderer Ort spiegelt dieses Viertel die wechselhaften Beziehungen zwischen Juden, Venedig und der Welt wider – in kleinen Details, die große Geschichten erzählen wie z.B. von:

  • fünf prächtigen Synagogen hinter unscheinbaren Fassaden ...
  • sonderbaren Fenstern auf Höhe des Meeresspiegels ...
  • uralten, dicht gedrängten Hochhäusern, die auf Sand gebaut sind ...
  • Wohnungen, in denen man kaum aufrecht stehen kann ...
  • einer Marmortafel, die Denunzianten ködert ...
  • einem Kanal für die Toten ...

Die ersten Juden, die im Ghetto ankamen, fanden verfallene Häuser, Schmutz und Unrat vor.

Es war ein aufgelassenes Gewerbegebiet, rundum von Wasser umgeben und nur durch Tore zu betreten, die in der Nacht verschlossen und streng bewacht wurden. Dennoch strömten immer mehr herbei – auf der Flucht vor Kriegen und der Verfolgung auf dem Festland.

Die Tore des Ghettos verhießen ihnen nicht nur Ausgrenzung, sondern auch Schutz. Venedig gewährte diesen Schutz, forderte dafür aber auch massive Gegenleistungen: Juden mussten nicht nur hohe Steuern zahlen, sondern auch Geld an die venezianische Bevölkerung verleihen.

Venedig

ORF/Martin Cargnelli

Mit jeder Einwanderungswelle kamen mehr Juden ins Ghetto – aus anderen Kulturkreisen, mit fremden Sprachen, Sitten und Gebräuchen. Es gab Zeiten der Repression, der Armut, der Verfolgung, aber auch Zeiten der kulturellen und wirtschaftlichen Blüte – alles auf engstem Raum. Erst Napoleon ließ die Tore des Ghettos öffnen.

Von da an waren die Juden den übrigen Venezianern gleichgestellt, zumindest theoretisch. Von der dunklen Zeit der Naziherrschaft zeugen „Stolpersteine“, ein Gedenkzentrum und ein Mahnmal am zentralen Campo des Ghettos. Heute leben die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in ganz Venedig verstreut, aber das Ghetto und seine fünf Synagogen bilden noch immer den Mittelpunkt ihrer religiösen Identität.

Die TV-Dokumentation „Venedig und das Ghetto“ entschlüsselt die verborgenen Rätsel des Ghettos und spürt in Spielszenen und in der Realität den Geschichten dahinter nach – von Menschen, die den Ort über Jahrhunderte prägten bis hin zu jenen, die es heute tun.

Regie: Klaus T. Steindl
Produktion: Tellux Film und Metafilm
ORF-Redaktion: Christoph Guggenberger

Hotel Hoffnung

Das „magdas Hotel“ in Wien ist eine Herberge der etwas anderen Art. Sämtliche Mitarbeiter des Hotels sind in Österreich anerkannte Flüchtlinge. Für die 20 Angestellten aus 16 Ländern ist das Hotel die Erfüllung einer langgehegten Hoffnung – nämlich jener, einer geregelten Arbeit nachgehen zu können.

Denn längst ist es in Österreich traurige Realität, dass Asylwerber meist jahrelang auf ihren Asylbescheid warten müssen und in dieser Zeit zum Nichtstun verurteilt sind.

Dinis Angsberg etwa kam vor bereits 13 Jahren nach Österreich. Aus seinem Heimatland Guinea-Bissau musste er als Jugendlicher fliehen. Bleiberecht, Arbeitserlaubnis – das waren für Dinis jahrelang Luxusgüter. Jetzt, wo der kommunikative junge Mann an der Rezeption des magdas eine fixe Stellung hat, fühlt er sich „wie wiedergeboren“. „Ich war da, aber auch nicht da“, beschreibt er das jahrelange zermürbende Warten.

Hotel Magdas

ORF

Einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen, als Mensch wahrgenommen werden, das verbindet die Hoffnungen der Mitarbeiter im magdas Hotel. Unterstützt von zehn Branchenprofis wird hier Social Business verwirklicht. Dabei geht es jedoch nicht um die Maximierung von Profit, sondern um die Maximierung von Offenheit und Menschlichkeit. „Stay open-minded“ ist daher überall im magdas zu lesen – von der schicken Bar bis zu den Seifenspendern in den Badezimmern.

Eine neue Chance bekommen jedoch auch die Möbel im magdas Hotel. Wenn sich der bunt geschmückte Christbaum aus alten Metallrädern dreht, ist das nur eines von vielen Beispielen für „Upcycling“ im Hotel. Altes wird wiederverwendet und neu gestaltet. Das gilt für die alten Schränke des ehemaligen Pflegeheims bis zu den handgestrickten Lampenschirmen und vielen weiteren liebevollen Details der Einrichtung, die erst kürzlich mit dem österreichischen Staatspreis für Design ausgezeichnet wurde.

Antonio Piani sorgt als Haustechniker dafür, dass das mitunter alte Interieur erhalten bleibt. „Das ist die Arbeit, die ich immer machen wollte“, erzählt Antonio, der nach seiner Flucht aus dem Iran einen neuen Namen angenommen hat. „Nicht jeder in Österreich versteht, dass Flüchtlinge in Angst um ihr Leben weggehen, Familie, Freunde und alles, was sie sich aufgebaut haben, zurücklassen und eine oft lebensgefährliche Flucht auf sich nehmen – das ist kein Spaß“, sagt er. Und Ahmad, der als 14-Jähriger aus Afghanistan floh und in einer im Magdas Hotel untergebrachten WG für unbetreute Jugendliche lebt, stört es, dass er nach vier Jahren immer noch von anderen Menschen abhängig sei und, obwohl er perfekt Deutsch spricht und in einem Gymnasium gut integriert ist, immer noch nicht weiß, ob er hier bleiben könne.

Die Herbergssuche, wie sie im Advent thematisiert wird, kennen die Mitarbeiter des magdas Hotel aus eigener persönlicher Erfahrung. Nicht wenige sind dabei in Isolation geraten. Im magdas Hotel können sie nun selbst Herberge geben – und das tun sie mit viel Herzblut und in nicht weniger als 26 Sprachen.

Regie: Martin Betz
Redaktion: Helmut Tatzreiter