„Streng ist seine Güte“

In der Evangelischen Kirche gibt es für jede Woche ein sogenanntes „Wochenlied“. Michael Bünker widmet seine Morgengedanken in der Fastenzeit dem Lied dieser Woche.

Morgengedanken 8.4. zum Nachhören:

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„Holz auf Jesu Schulter“, so heißt das evangelische Lied der Woche. Die Römer der biblischen Zeit hatten die Kreuzigung als besonders grausame Art der Hinrichtung für entlaufene Sklaven und für politische Aufrührer vorgesehen. Zur Grausamkeit des Kreuzigens gehörte auch, dass die Verurteilten den Querbalken des Kreuzes selbst zum Richtplatz tragen mussten. Das ist das „Holz auf Jesu Schulter“.

Michael Bünker
ist Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Wien

Gott macht sich menschlich

Aber für den Glauben ist das mehr als ein Stück Holz. Es ist die Schuld, die er da trägt, auch meine Schuld. Das, was mich von Gott trennt, das, was mich immer wieder zum Feind des Lebens macht, das, was meine Beziehungen vergiftet und zerstört und das, was mich gefangen hält in Ungerechtigkeit. Für viele Menschen heute ist das schwer verständlich. Sind denn meine Sünden, meine Verfehlungen wirklich so schlimm, dass sie nur durch einen Tod weggenommen werden können? So fragen sie, und: Sollte ich nicht selbst für meine Schuld geradestehen?

Ich verstehe diese Fragen gut. Doch ist es für mich tröstlich und befreiend, dass ich daran glauben kann, dass Gott selbst diesen Kreuzweg, der so vielen Menschen nicht erspart bleibt, gegangen ist. Mitleiden und Solidarität, Barmherzigkeit und Mitgefühl sind keine leeren Worte. Auch wenn sie in unserer Zeit oft keinen Platz haben, wo jeder und jede alleine zurecht kommen muss, es macht uns menschlich, mitleidig und barmherzig zu sein. Das Kreuz heißt auch: Gott macht sich ganz menschlich.