Ein armer Bauer

Der aus Nigeria stammende Bischof der altkatholischen Kirche in Österreich, John Okoro, erzählt heute in den Morgengedanken eine Geschichte des russischen Dichters Leo Tolstoi.

Morgengedanken 6.10. zum Nachhören:

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„Einem armen Bauern wird eines Tages ein unerwartetes Glück zuteil. Ein reicher Grundbesitzer erlaubt ihm, soviel Land als sein Eigentum zu erwerben, wie er in der Zeitspanne zwischen Sonnenaufgang und Untergang zu Fuß umschreiten kann. Die einzige Bedingung: Er muss, wenn die Sonne untergeht, genau wieder an dem Punkt angekommen sein, an dem er morgens aufgebrochen ist.

Weltliche Reichtümer

Zunächst ist der arme Bauer überglücklich, weil er bei weitem nicht den ganzen Tag brauchen wird, um so viel Land zu umwandern, wie er zu einem reichlichen Lebensunterhalt braucht. So geht er frohen Mutes los, ohne Hast, mit ruhigem Schritt. Doch dann kommt ihm der Gedanken, diese einmalige Chance auf jeden Fall auszunützen und so viel Boden, wie nur eben möglich zu gewinnen. Er geht in einem großen Kreis weiter, um noch mehr Land zu erhalten. Dort will er noch einen Teich hinzubekommen, hier eine besonders saftige Wiese und da wiederum ein kleines Wäldchen. Sein Schritt wird hastig, sein Atem wird zum Keuchen, der Schweiß des Laufens und der Schweiß der Angst treten ihm auf die Stirn. Endlich mit letzter Kraft ist er am Ziel angekommen. Mit dem letzten Strahl der untergehenden Sonne erreicht er den Ausgangspunkt, ein riesiges Stück Land gehört ihm.

Doch da bricht er vor Erschöpfung zusammen und stirbt. Sein Herz war der Belastung nicht gewachsen. Es bleibt ihm jenes winzige Stück Erde, in dem er beerdigt wird.“