„Ein Tropfen Cola für Pachamama“

Andine Spiritualität und Synkretismus in Bolivien: Kurz taucht der Agrarökonom Santiago Villca seinen Finger in das Cola-Glas und tropft ein paar Spritzer davon auf die Erde – als Opfergabe für die „Pachamama“.

Vielen indigenen Völkern Südamerikas, also auch den Quechua und Aymara in Bolivien, gilt sie als personifizierte Erdmutter. Die Pachamama schenkt Leben, sie nährt und beschützt. Ihre Anhänger und Anhängerinnen sind bestrebt, sie durch Opfergaben wohlgesonnen zu stimmen, erhoffen eine gute Ernte, Glück und Reichtum. Dieses Prinzip des „Vivir Bien“, das auf materielle, soziale und spirituelle Zufriedenheit für alle Mitglieder der Gemeinschaft - stets in Harmonie mit der Natur – abzielt, hat unter Präsident Evo Morales, der selbst aus dem Volk der Aymara stammt, als Ideal auch Einzug in die bolivianische Verfassung gehalten.

Tao
Samstag, 3.1.2015, 19.05 Uhr, Ö1

Eingetauschte Götterbilder

Die Rückbesinnung auf die traditionelle andine Spiritualität wird derzeit groß geschrieben in Bolivien – zumindest theoretisch. Im Zuge der christlichen Missionierung unter den spanischen Konquistadoren, die im 16. und 17. Jahrhundert große Teile von Mittel- und Südamerika eroberten, wurden die alten einheimischen Götterbilder gegen christliche Heilige und auch die „Gottesmutter Maria“ ausgetauscht.

: Rund um den Dreikönigstag werden vor der Kirche von San Pedro de Totora zwei Schafe geschlachtet als Opfergabe an die Pachamama

DKA

Rund um den Dreikönigstag werden vor der Kirche von San Pedro de Totora zwei Schafe geschlachtet als Opfergabe an die Pachamama

Gerade im Zusammenhang mit diesem mütterlichen Prinzip in den beiden Religionen, Pachamama und Maria, vermischten sich oftmals die Traditionen zu einem religiösen Synkretismus. So wird der Pachamama zum Beispiel traditioneller Weise just am Dreikönigstag ein Schaf geopfert auf einem der heiligen Berge im Altiplano, dem bolivianischen Hochland. Am nächsten Tag wird in San Pedro de Totora noch ein Schaf geopfert – vor der katholischen Kirche, in die dann die ganze Dorfgemeinschaft einzieht, um Gottesdienst zu feiern. „So kommen die Leute näher zur Pachamama und auch zu Gott“, findet der katholische Pfarrer von San Pedro, Raul Guzman Lopez.

Synkretismus nicht überall akzeptiert

Während sich die römisch-katholische Kirche in jüngerer Zeit zunehmend mit diesem Synkretismus arrangiert hat, bekämpfen die erstarkenden evangelikalen christlichen Kirchen diese Vermischung vehement. So erklärt etwa die Landwirtin Andrea Lopez Rojas aus dem Volk der Quechua: „Ich habe die Religion gewechselt. Ich bin jetzt nicht mehr katholisch, sondern bei einer Pfingstkirche. Seitdem glaube ich auch nicht mehr an die Pachamama“.

Die Menschen im bolivianischen Hochland leben von Ackerbau und Viehzucht

DKA/Silvia Kreczy

Die Menschen im bolivianischen Hochland leben von Ackerbau und Viehzucht

Auch Boliviens Jugendliche können oft nur mehr wenig anfangen mit den indigenen Traditionen und Glaubenslehren ihrer Ahnen. Die lange Geschichte der Diskriminierung von Indigenen in Bolivien hat dazu geführt, dass viele ihre eigene Kultur immer noch als Zeichen von Rückständigkeit ansehen, die es zu überwinden gilt. Sie orientieren sich eher an „einem Leben wie in den USA“ als Ideal. Cola wird weiterhin getrunken, für die Pachamama fällt dabei aber immer seltener ein Tropfen ab.

Gestaltung: Alexandra Mantler

Tao 3.1.2015 zum Nachhören:

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