Wer bin ich?

Es könnte so schön sein auf der Welt – wenn wir uns gegenseitig das Leben nicht immer wieder schwer machen würden. Die aktuellen Nachrichtensendungen berichten täglich von Gewalt, Not und Leid und lösen unterschiedliche Reaktionen und Gefühle aus.

Morgengedanken 20.1.2015 zum Nachhören:

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Nein, ich bin nicht Charlie, bin nicht Ahmed. Je suis Georges. Ich bin Georg. Wer bin ich; und wie viele?

Georg Schärmer
ist Direktor der Caritas der Diözese Innsbruck

Stein der Verurteilung

Wie viele Schicksale, Anfragen an meine Sympathie, an meine Solidarität mach ich mir zu eigen? Was berührt mich noch, findet Zugang in meine durchaus hingabebereite Herzkammer? Und wie viel in mir ist bereits - und angesichts des Zuviel an Gewalt und Elend - am Kältetod und an der Überforderung des Mitgefühls gestorben? Wer bin ich wirklich? Ich kenne den Engel und den Bengel, den Menschenliebhaber und den Zyniker, den Herzerwärmenden und den Kaltschnäuzigen, den Feigling und den Couragierten ... in mir. Auch den, der sich manchmal bückt, um den Stein des Besserwissers, Rechthaberischen und Verurteilenden aufzuheben.

Was lehren mich die Vorgänge in Paris? Wie verwandle ich die persönliche Ohnmacht in eine menschenverträgliche Machbarkeit? Ich bin nicht ohne Schuld. Mein Lebensstil, meine Konsumgüter sind befleckt mit dem Blut der Ausbeutung und der Zerstörung von Lebensräumen. Meine Bequemlichkeit und fehlende Zivilcourage geht zu wenig oft auf die Straße, wenn die Plakate und Parolen der Ausgrenzung und Angstmacherei den öffentlichen Raum beschmutzen. Deshalb bleibt mein Verurteilungsstein liegen. Beschämt suche ich nach neuen Wegen für mich, als Mitmensch.