„Warum die Umwege?“

Von der Kunst des Vertrauens war in der vergangenen Woche in den Morgengedanken die Rede. Der Klagenfurter Theologe Michael Kapeller hat Menschen porträtiert, die es wagten, in den Höhen und Tiefen ihres Lebens dem Leben zu vertrauen. Von der Gegenwart des Lichts ist heute die Rede...

Morgengedanken 7.2.2015 zum Nachhören:

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Im Herbst 1968 besucht Walter Dirks seinen ehemaligen Lehrer, Romano Guardini, in dessen Münchener Wohnung. Der bereits 83-Jährige ist durch ein Nervenleiden geschwächt. Am Krankenlager vertraut Guardini seinem Freund eine Frage an, die zu einem Vermächtnis werden wird: Ich werde mich – so Romano Guardini – im letzten Gericht nicht nur fragen lassen, sondern ich werde auch selbst fragen. Dabei hoffe ich voll Zuversicht, dass mir dann der Engel die Antwort auf diese Frage geben werde, die mir kein Buch, auch die Schrift nicht, kein Dogma, kein Lehramt, keine Theologie – auch die eigene nicht – hat geben können: Warum, Gott, zum Heil die fürchterlichen Umwege, das Leid der Unschuldigen, die Schuld?

Dr. Michael Kapeller
ist katholischer Theologe und Leiter des Institutes für kirchliche Ämter und Dienste der Diözese Gurk in Klagenfurt

Dunkelheit und Licht

Diese Frage mag verwundern. Denn Romano Guardini ist einer der wichtigsten Theologen seiner Zeit. Dennoch bleibt er als Mensch zurückhaltend, ja schüchtern. Immer wieder überfällt ihn eine Schwermut, die sogar seinen Glauben verdunkelt. Er rückt jedoch nicht von Gott ab. Denn für ihn ist das Dunkel nicht der Feind des Lichtes, sondern sein Gegenwert. Das Dunkel kündigt das Licht an und lässt es noch viel heller erstrahlen.

Der christliche Glaube liefert keine letztgültigen Antworten auf die Fragen nach dem Leid und nach der Schuld. Er ermutigt aber dazu, diesem göttlichen Licht zu trauen – ihm darf ich mich ganz anvertrauen.