Bettler und ihre Bande

Um nicht in völliger Isolierung wochenlang alleine in Salzburg, Wien, Graz oder Linz Beschäftigung zu suchen oder zu betteln, organisieren sich viele bettelnde Menschen in Familienbanden, sagt Michael König.

Gedanken für den Tag, 27.2.2015:

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Was würde ich eigentlich tun, würde mich die Not wochenlang zum Betteln zwingen, 1000 Kilometer entfernt von Salzburg in einer bulgarischen Stadt? Ich würde versuchen, für mein psychisches Überleben mit Menschen zu reisen, die mir vertraut sind und deren Sprache ich spreche. Ich würde versuchen, mit ihnen einen Schlafplatz zu organisieren. Ich würde mich mit ihnen am Abend treffen wollen.

Ich würde organisieren, dass jemand das Geld meiner Gruppe einsammelt, damit es bei Polizeikontrollen wegen des Verdachtes von organisiertem Betteln nicht abgenommen wird. Das alles wäre Ausdruck eines gesunden Überlebenswillens und von sozialen Kompetenzen.

Michael König

Diakoniewerk Salzburg

Michael König ist Geschäftsführer des evangelischen Diakoniewerks Salzburg und einer der Initiatoren der Plattform „Armut hat Platz“ die sich für einen menschenwürdigen Umgang mit bettelnden Menschen einsetzt.

Notsituationen stärken Familienbande

Das wenige, das man landläufig von den bettelnden Menschen aus südosteuropäischen Ländern weiß oder vermutet, ist, dass viele gemeinsam mit einigen Familienangehörigen, Freunden oder Nachbarn die lange Anreise organisieren. Und um nicht in völliger Isolierung wochenlang alleine auf den Straßen von Salzburg, Wien, Graz oder Linz Beschäftigung zu suchen oder zu betteln. Sie scheinen sich auch bei der Aufteilung der Bettelplätze in irgendeiner Form abzustimmen. Manche organisieren auch ihre Schlafplätze, in ihren Autos oder unter regengeschützten Brücken.

Viele dieser Notreisenden scheinen in der Erfahrung starker familiärer Bande ihr psychisches und soziales Überleben in der Fremde zu sichern. Eine extreme Notsituation stärkt familiäre Bande. Not hält Menschen zusammen. Jeder kennt aus eigener Erfahrung, wie wichtig tragende solidarische menschliche Bindungen gerade in Krisen- und Notzeiten sind. Bettlern und Bettlerinnen im gesellschaftlichen Diskurs in Würde zu begegnen heißt, sie nicht nur als arme Menschen zu sehen: Sie sind auch Menschen mit Kompetenzen, die ich würdigen kann.

Musik:

Gioachino Rossini (1792 – 1868)
Andante - 2.Satz
Aus: Sonata II in A-Dur aus „Sei sonate a quatro“ für Flöte, Violine, Viola und Violoncello

Interpreten: Peter Lukas Graf/Flöte und das Carmina Streichtrio
Label: Claves 50-8608