„Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“

„Dürfen wir dem Kaiser Steuern zahlen oder nicht?“ So wird Jesus einmal gefragt. Keine harmlose Frage unter der römischen Besatzungsmacht! Jesus antwortet: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist.“

Zwischenruf 22.3.2015 zum Nachhören:

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Gerne wird das Jesuswort als Begründung für die Verpflichtung des Steuerzahlens verwendet. Ob es auch zur kontroversen und intensiven Diskussion, die derzeit in Österreich über die von der Regierung vorgelegte Steuerreform geführt wird, passt?

Michael Bünker
ist evangelisch-lutherischer Bischof in Österreich

Steuermoral als bürgerliche Tugend

Ich werde mich nicht zu konkreten Fragen dieses Reformpaketes äußern. Das ist nicht meine Aufgabe. Aber zu einigen grundsätzlichen Fragen des Steuersystems folgende Überlegungen aus evangelischer Sicht: Dass wir Steuern zahlen, sagt etwas darüber aus, wie wir den Staat und seine Aufgaben verstehen. Steuermoral gehört zu den bürgerlichen Tugenden. Interessant, dass für gar nicht so wenige Zeitgenossen bei den Steuern andere Moralmaßstäbe angelegt werden als im sonstigen Leben. Steuerflucht und Steuervermeidung sind allzu lange mit wenig Nachdruck bekämpft worden. Bei den Betroffenen fehlt die Einsicht, dass sie mit ihrem Handeln dem demokratischen Rechtsstaat, unserem Gemeinwesen, die Legitimität absprechen und so zur Krise des Politischen beitragen. In der Steuermoral drücken sich das Verhältnis zum eigenen Staat und die Akzeptanz der gesellschaftlichen Ordnung aus. Wer die gegebenen Systeme in Österreich nicht für gerecht oder gerechtfertigt hält, darf nicht durch Steuerflucht oder –hinterziehung heimlich aussteigen, sondern muss sie demokratisch verändern.

Zwischenruf
Sonntag, 22.3.2015, 6.55 Uhr, Ö1

Umgekehrt geht auch der Staat mit seiner Macht, Steuern einzuheben, den Bürgern und Bürgerinnen gegenüber eine hohe Verpflichtung ein. Transparenz und Gerechtigkeit, das sind die beiden Leitbegriffe, die diese Verpflichtung nach Meinung der Evangelischen Kirche zum Ausdruck bringen. Die Transparenz betrifft vor allem die Verwendung der eingehobenen Steuern, aber auch das Steuersystem selbst, das einfach und verständlich sein soll (oder besser sollte). Die Leistungen, die der Staat mit den eingehobenen Steuern finanziert, sind öffentliche Güter, die der Allgemeinheit, also uns allen zugutekommen. Dazu gehören die innere und äußere Sicherheit, Infrastruktur, Gesundheit, soziale Sicherheit, Bildung und einige mehr.

Gerechtigkeit und Solidarität

Die Gerechtigkeit zielt darauf, dass letztlich allen einsichtig gemacht werden muss, warum sie zur Kasse gebeten werden und dass die Lasten gerecht verteilt sind. Nur Steuern, die als gerecht und gerechtfertigt empfunden werden, stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ermöglichen jene Solidarität, ohne die eine Gesellschaft zerbrechen muss. Daher dürfen Einkommen aus Kapital und Vermögen nicht weiter bevorzugt werden. Dazu braucht es eine Besteuerung von Finanztransaktionen und des Ressourcenverbrauchs. Heute stehen wir – nicht nur aus Sicht der Kirche – vor drei zentralen Herausforderungen: Die Bekämpfung der Armut, der Klimawandel und die globale Gerechtigkeit.

Letztlich muss sich in ethischer Hinsicht jedes Steuersystem daran messen lassen, was es dazu beiträgt, dass diese drei Herausforderungen aufgegriffen werden. Grundsätzlich soll durch Steuern – wie der Name sagt – gesteuert werden, umgesteuert in Richtung auf mehr Nachhaltigkeit für den Schutz der Umwelt und die Lebensmöglichkeiten der nachfolgenden Generationen, umgesteuert hin zu mehr Gerechtigkeit.

„Dann gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“, sagt Jesus. Aber die Fortsetzung darf nicht vergessen werden: „und Gott, was Gottes ist.“ Aber was ist denn Gottes, was ist des Kaisers? Dieser Satz ist mehr eine Problemanzeige als eine Problemlösung. Er ermutigt, sich ein eigenes kritisches Urteil zu bilden.