Alles im Griff?

Wer sich nur über die eigene Leistung definiert, der darf keine Fehler machen – der muss einfach perfekt sein. Aber das Leben hat mehr zu bieten...

Morgengedanken 23.3.2015 zum Nachhören:

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Ich habe noch die Bilder von der Schi-WM in Beaver Creek vor mir. Die wohl 15 Paar Schi, die für Marcel Hirscher bereitet waren. Alles perfekt vorbereitet – nichts wird dem Zufall überlassen. Spitzensportler müssen wohl Perfektionisten sein, um Erfolg zu haben. Schwierig wird es, wenn der Perfektionismus alle Lebensbereiche erfasst – wenn Menschen alles im Griff haben wollen – alles von der eigenen Leistung und Perfektion abhängt.

Brigitte Thalhammer
ist Provinzleiterin des katholischen Ordens der Salvatorianerinnen in Österreich

Perfekt heißt vollendet

Wir können das Leben nicht im Griff haben. Wir können uns kein perfektes Leben schaffen. Perfektes Leben – was wäre hier doch eine mögliche Annäherung? Wenn ich perfekt etwas frei deute kann ich folgenden Übersetzungsversuch wagen: facere heißt machen und per bedeutet durch, hindurch. Ein perfektes Leben ist dann ein Leben, das auch etwas durchgemacht hat. Das trifft dann doch wieder auf jeden Menschen zu – die einen hatten sehr viel Schweres durchzumachen – anderen war ein leichteres Leben geschenkt. Aber etwas durchzumachen hat wohl jeder und jede.

Und eine andere Annäherung. Perfekt heißt vollendet – es ist fertig. Etwas hat seine Endgestalt erreicht, die nicht mehr verbessert werden kann. Perfektes Leben wäre dann auch ein zu seinem Ende gekommenes Leben. Ein Leben, das sich vollendet hat – das sein Ziel erreicht hat. Und wenn sich unser Leben vollendet, dann werden wir nicht fertig sein im Sinn von ohne Fehler zu sein, ohne Scheitern durch das Leben gekommen sein – wir werden nicht ohne Narben sein – aber als Christen und Christinnen dürfen wir vertrauen, dass ein anderer unser Leben wahrhaft vollendet – in eine Beziehung, in eine Lebendigkeit, die kein Ende kennt.