Frau, was weinst du?

Peinlich, peinlich – denkt sich wohl der eine oder die andere, wenn irgendwo auf der Straße, in der U-Bahn, auf jeden Fall in aller Öffentlichkeit, ein Mensch weint. Wie soll ich darauf reagieren?

Morgengedanken 7.4.2015 zum Nachhören:

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In dieser Woche geht es um die Osterfragen – um die, die der auferstandene Jesus an die Menschen stellt. Die erste Frage nach dem Bericht der Evangelien lautet: Frau, was weinst du? (Johannes 20,15)

Michael Bünker
ist Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich

Im Licht der Ostersonne

Es wird erzählt, dass Maria Magdalena draußen vor dem Grab steht und weint. Der Blick ins leere Grab und die Auskunft der Engel konnten sie nicht beruhigen. Im Gegenteil. Zum Schmerz über den Tod Jesu kam noch dazu, dass sie nicht einmal mehr einen Ort hatte, an dem sie um ihn trauern konnte. Da kommt der Auferstandene zu ihr. Sie erkennt ihn zuerst nicht. Sie meint, es ist der Gärtner. Und Jesus fragt sie: Frau, was weinst du? Ihre Trauer rührt ihn. Er sieht, wie es ihr geht. Er spricht es an und fragt danach - und fragt nach ihr.

Manchmal sehe ich weinende Menschen irgendwo, auf der Straße oder in der U-Bahn, und verspüre eine Scheu, sie anzusprechen und zu fragen: Warum weinen Sie? Ist das nicht zu direkt, womöglich taktlos? Es ist seltsam, wie hilflos ich mir dann vorkomme. Der auferstandene Jesus sieht, wie es um die Menschen steht. Es rührt ihn. Er spricht es an. Es ist ihm nicht egal. Im Licht der Auferstehung, im Licht der Ostersonne den Leidenden, die Schmerz und Trauer aushalten müssen, in die Augen sehen und sie ansprechen. Das ist die erste Osterfrage, die meine Antwort will.