Alleinsein

Zuhören, einfach zuhören – diese Dienstleistung bietet die Telefonseelsorge kostenfrei und rund um die Uhr an. Und wer die Nummer 142 wählt, braucht keine Angst zu haben, be-urteilt oder gar ver-urteilt zu werden.

Morgengedanken 17.6.2015 zum Nachhören:

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„Darf ich kurz mit Ihnen reden, wissen Sie heute fällt mir wieder einmal die Decke auf den Kopf.“ Eine ältere gehbehinderte Frau hat wieder einmal unsere Telefonnummer 142 angerufen. Sie kann nicht mehr alleine aus dem Haus und der Tag wird ihr trotz Heimhilfe und gelegentlichen Besuchern oft sehr lange. Gerne erzählt sie von ihrem Leben, nicht alles war schön, auch darüber möchte sie reden.

Marlies Matejka
ist Leiterin der Telefonseelsorge Wien

Einfach zuhören

Eine jüngere Anruferin ruft von einer Parkbank aus mit dem Handy an. Sie will, dass die Leute sehen, dass sie Kontakt hat, will verbergen, dass sie eigentlich nie angerufen wird. Sehr oft ist sie in ihrem Leben verletzt worden. So hat sie sich von allen Menschen zurückgezogen.

Eine Frau mittleren Alters vertraut mir an, dass sie zwar seit vielen Jahren verheiratet ist, ihr Mann ihr aber grundsätzlich nie zuhört, auch kaum mit ihr redet. Er zeige ihr auch nie, dass sie ihm etwas bedeute, sie verhungere seelisch neben ihm.

Einsamkeit ist sehr oft mit Scham verbunden. Da ist es manchmal hilfreich, mit jemandem sprechen zu können, der mich nicht kennt, der mich nicht be- oder gar verurteilt, der mir einfach einmal zuhört und mich so annimmt, wie ich bin. Dann bin ich zumindest für eine kurze Zeit nicht allein. Dann fühle ich mich besser und stärker und nicht mehr so ohnmächtig. Und manchmal – so erlebe ich es als Seelsorgerin – wächst bei den Anrufern durch diese Begegnung am Telefon der Mut, kleine Schritte aus der Einsamkeit zu überlegen und zu wagen. Darüber freue ich mich dann sehr.