Demut und Dankbarkeit

Ein offenes Ohr – für alle Sorgen, Nöte und Probleme: Vielleicht ist es nicht viel, was die Telefonseelsorge zu bieten hat – kostenfrei und rund um die Uhr aus ganz Österreich unter der Nummer 142...

Morgengedanken 20.6.2015 zum Nachhören:

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Schon seit sehr langer Zeit arbeite ich bei der Telefonseelsorge. Immer wieder bin ich im Laufe der Jahre gefragt worden, ob es nicht sehr anstrengend und belastend ist, sich die Probleme so vieler Menschen anzuhören. Meine Erfahrung ist, dass es sehr anstrengend wird, wenn man das Gefühl hat, für das Wohl des anderen Menschen verantwortlich zu sein. Wenn ich so mitleide und unbedingt möchte, dass es dem anderen nach unserem Gespräch besser geht, dann macht das nicht nur mir Druck, sondern auch meinem Gesprächspartner. Denn kurz gesagt: Es darf einem auch einmal schlecht gehen dürfen und es ist dann entlastend, wenn das ein anderer aushält, auch einfach einmal schweigt und nicht sehr gescheit daher redet.

Marlies Matejka
ist Leiterin der Telefonseelsorge Wien

Selbstachtung

Mir gefällt die alte Tugend der Demut. Wenn ich am Telefon mit einem Menschen (einer Frau oder einem Mann) ins Gespräch komme, dann hat er schon 30, 50 oder 70 Jahre seines Lebens gelebt. Er kennt sich aus mit sich, er hat Erfahrung, was ihm helfen könnte oder schon einmal geholfen hat. Es wäre sehr hochmütig von mir, diesem Menschen sagen zu wollen, was er meines Erachtens tun muss. Demut heißt für mich, dass ich den anderen achte und respektiere – seine Möglichkeiten und auch seine momentanen Grenzen.

Wer in dieser Weise Achtung, Angenommen–Sein und auch Zutrauen erfährt, kann dann auch sich selber wieder besser achten, schätzen und vertrauen. Begegnungen dieser Art erfüllen mich mit großer Dankbarkeit.