Ferienbeginn

In dieser Woche hat Gisela Ebmer in ihren Morgengedanken eine Lanze für die Fantasie gebrochen – so auch heute.

Morgengedanken 4.7.2015 zum Nachhören:

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Gestern war Ferienbeginn in Ostösterreich. Ein Kollege von mir, der jetzt in Pension geht, hat mir zum Abschied einen Spruch geschenkt: „Habe doch immer einen Blick für das Sonnenlicht, das sich in deinem Fenster spiegelt und nicht für den Staub, der auf deinen Scheiben liegt.“

Gisela Ebmer
ist Fachinspektorin für den evangelischen Religionsunterricht an Höheren Schulen

„René wohnt im blauen Haus“

In den Ferien sehe ich mehr als im Alltag: Ich sehe plötzlich den Staub auf den Fenstern, die dringend geputzt werden müssen, und nicht mehr den wunderschönen Garten, der dahinter liegt. Aber mein Enkel Juri hat mich noch eines Besseren belehrt: Wir stehen gemeinsam am Biotop im Garten. Ich sehe gottseidank nicht die dünnen Algen auf der Wasseroberfläche, die abgefischt werden sollten. Ich zeige Juri die Libellenlarven und Molche. Und plötzlich sagt er: „Da unten wohnt der René.“ Ich habe zunächst gar nicht gewusst, was er meint. „Da oben ist das blaue Haus vom Nachbarn“, habe ich meinem Enkelsohn gedeutet. „Nein, der René, er wohnt da im Wasser im blauen Haus.“

Erst dann habe ich verstanden, dass Juri noch eine zusätzliche Dimension gesehen hat: Nicht nur die Wasseroberfläche, nicht nur die Molche und Schnecken, nein auch die Spiegelung des blauen Hauses im Wasser. Mir ist dann wieder bewusst geworden, wie beschränkt unser Sehen oft ist: Es gibt nicht nur die Oberfläche und die Hintergründe, nein, Gottes Wirklichkeit ist unerschöpflich. Und das heißt für mich: Was auf Plakaten oder in Zeitungen steht, ist das Eine. Was ich über die Hintergründe weiß, ist das andere. Aber, es gibt noch viel mehr wahrzunehmen, zu bedenken. Was für manche Menschen pure Fantasie ist, ist vielleicht einfach eine zusätzliche Dimension des Sehens.