Stille: Fluch oder Segen?

Stille ist ein seltenes, kostbares Gut geworden. Viele Menschen sind vom Übermaß an Kommunikation schlicht überfordert. Manche werden in die Stille gezwungen – etwa durch einen Schlaganfall...

Morgengedanken 22.8.2015 zum Nachhören:

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Fragen wir einmal einen beliebigen Menschen, was er sich von Sommer und Urlaub wünscht. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden Stille, weniger Worte, Handy ausschalten und vom vielen Denken wegkommen häufig genannte Wünsche sein.

Aglaia Maria Mika
ist Musiktherapeutin und Islambeauftragte der römisch-katholischen Diözese Feldkirch in Vorarlberg

Wer bin ich, wenn es still wird?

Ich arbeite musiktherapeutisch mit Menschen, die meist durch einen Schlaganfall von Aphasie betroffen sind. Sie können gefasste Gedanken nur sehr erschwert, manchmal gar nicht mehr, aussprechen. Stille legt sich zwischen sie und ihre Umwelt, eine wortlose, erschwerte Kommunikation. Natürlich wird therapeutisch alles getan, damit diese Menschen ihre sprachlichen Fähigkeiten zumindest teilweise zurückerlangen. Musiktherapie hat hier wunderbare Möglichkeiten, da rhythmische Sprache und Gesang besser zugänglich sind und so eine Brücke zur Alltagssprache bilden können. Insgeheim wünsche ich diesen Menschen aber, sie könnten diese ihnen auferlegte Stille auch ein bisschen genießen. Wie viele Menschen sehnen sich nach weniger Worten, sind vom Übermaß an Kommunikation völlig erschöpft?

Die Stille in sich zu finden, ist eine zentrale Praxis in vielen religiösen und spirituellen Traditionen. Vor allem Meister des Ostens preisen sie, aber auch die christliche Mystik ist geprägt vom meditativen Sein mit Gott – oft die größte Herausforderung überhaupt! Wer bin ich, wenn es still wird?