Erschaffung des Menschen

Den biblischen Schöpfungsbericht halten viele für längst überholt. Doch gerade diese poetischen Erzählungen enthalten politischen Sprengstoff...

Morgengedanken 24.9.2015 zum Nachhören:

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„Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ Mit einem einzigen Satz beschreibt der erste der beiden biblischen Schöpfungsberichte die Erschaffung des Menschen.

Olivier Dantine
ist evangelisch-lutherischer Superintendent für Salzburg und Tirol

Der Flüchtling und ich sind Gottes Ebenbild

Der Satz hat es in sich. Entstanden ist der erste Schöpfungsbericht vermutlich während des babylonischen Exils. Das Gottesvolk befand sich unter der Herrschaft eines Königs, der selbst als Abbild der Götter verehrt wurde. Und nun heißt es im Schöpfungsbericht: Nicht einer, sondern alle Menschen sind Gottes Ebenbild. Das war revolutionär! Auch dass der Mensch als Mann und Frau Gottes Ebenbild ist, trägt heute noch zur Gleichstellungsdebatte bei. Der Mensch hat eine ganz besondere und unverlierbare Würde und das gilt unterschiedslos für jeden Menschen, egal, welchen sozialen Stand, welches Geschlecht, welche Ansichten er oder sie hat, egal wie viel oder wie wenig jemand leisten kann oder will und nicht zuletzt auch woher er oder sie kommt.

Wenn sich in diesen Wochen und Monaten Menschen durch die Ankunft sehr vieler Flüchtlinge bedroht fühlen, dann fordert die Bibel dazu auf, im anderen nicht den Fremden zu sehen, sondern einen Menschen, der wie ich selbst Gottes Ebenbild ist. Denn das will mir die Bibel in ihrer poetischen Sprache sagen: Der Flüchtling und ich – wir stammen vom selben Menschenpaar ab.