„Nicht aus Siegen lernen wir...“

„Es kommt nichts Besseres nach“ – so lautet eine alte Weisheit, und sie bringt die tiefe Angst vieler Menschen vor der Zukunft zum Ausdruck. Bei manchen mag sie auch bittere Lebenserfahrung widerspiegeln.

Morgengedanken 30.11.2015 zum Nachhören:

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Veränderungen machen uns Angst. Wir wissen nicht, ob etwas Besseres danach kommt. Je älter wir werden, desto mehr schleichen sich die Gedanken ein: War das schon alles? Was kommt denn noch? Wird es nicht nur noch schlechter?

Heinz Lederleitner
ist altkatholischer Pfarrer und wird im Februar 2016 zum Bischof der altkatholischen Kirche in Österreich geweiht

Der Tiefbesiegte von immer größerem...

Rainer Maria Rilke, der Dichter, hat es einmal so formuliert: „Da geht der Wind, ein Umgestalter“, er meint den Wind des Schicksals, der zum Sturm werden kann. Rilke fährt mit dem Gedanken fort, dass wir unser Geschick bewältigen können, zusammen mit Menschen, die uns gut gesinnt sind. Er formuliert: „Ich höre die Ferne Dinge sagen, die ich nicht ohne Freund ertragen, nicht ohne Schwester lieben kann.“

Unser Leben bleibt aber auch dann ein Kampf, wenn auch ein „Kampf mit dem Engel“. Rilke wörtlich: „Das ist der Engel, der den Ringern des Alten Testaments erschien – wenn seiner Widersacher Sehnen im Kampfe sich metallen dehnen fühlt er sie unter seinen Fingern wie Saiten tiefer Melodien.“

Die Lebensmelodie ist nicht immer ein Siegesmarsch, denn, so Rilke: „Das Ewige und Ungemeine will nicht von uns gebogen sein“. Nicht aus den Siegen lernen wir, sondern im Umgang mit dem, was wir nicht verändern können. So wünsche ich es für mich und auch für Sie: „Er geht gerecht und aufgerichtet, und groß aus jener harten Hand, die sich wie formend an ihn schmiegte: Die Siege laden ihn nicht ein. Sein Wachstum ist: Der Tiefbesiegte von immer größerem zu sein.“