Betteln und Bitten

Auf den Straßen, auf Plätzen, vor Einkaufszentren, vor Kirchen, an Haustüren – überall treffen sie wir: Bettler – und selbstverständlich auch Bettlerinnen. Für alle, die halbwegs im Wohlstand leben und sich vieles leisten können, vielleicht ein nach wie vor ungewohntes Bild.

Morgengedanken 31.1.2016 zum Nachhören:

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Bettelnde Menschen sind wir seit frühester Kindheit. Schon als Baby haben wir gewusst, dass unser Alarmschrei in den Windeln unter anderem dazu dient, an die Mutterbrust zu kommen, um unseren Hunger zu stillen. Als Kinder betteln wir um Süßigkeiten, Freundschaften, gute Noten in der Schule. Als Heranwachsende pumpen wir Eltern und Großeltern um Geld an.

Roland Trentinaglia
ist römisch-katholischer Pfarrer in Hörbranz in Vorarlberg

„Bitte, lieber Gott...“

Auch als Erwachsene betteln wir nahezu tagtäglich um Annahme, um Liebe, um Anerkennung. Denn nichts fürchten wir Menschen so sehr wie Liebesentzug; nichts fürchten wir so sehr wie Ablehnung. Deshalb betteln wir danach, instinktiv. Denn ständiger Liebesentzug und Ablehnung lassen uns innerlich verarmen. Wir brauchen, um nicht in einem scheinbar würdelosen Bettlerdasein unser Leben zu fristen, ein Gegenüber, ein DU. Wir brauchen einfach einander und drücken das auch aus: „Könntest Du bitte? Sei doch so nett und mache mir das!“ Tag für Tag sind wir bettelnde Menschen!

Und heute, am Sonntag? Auch an diesem Tag wenden sich Menschen an Gott, gehen ganz selbstverständlich zum Gottesdienst um ihm zu sagen: „Bitte, lieber Gott, mach‘ etwas, hilf doch!“ Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Zu unserem Menschsein gehören Dank und noch mehr Bitte – also das Betteln! Und das soll uns nicht beunruhigen!