Wo ich erwartet werde

Der Begriff „Heimat“ muss nicht immer geografisch – als Ort - verstanden werden. „Heimat“ bringt eine tiefe Sehnsucht des Menschen zum Ausdruck.

Morgengedanken 23.5.2016 zum Nachhören:

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Heimat ist, wo ich erwartet werde. Erwartet, willkommen und geliebt zu sein gehört zu den Ursehnsüchten von uns Menschen. Beheimatet fühle ich mich dort, wo man mein Fehlen bemerkt, wo nachgefragt wird, wenn ich mich nicht melde.

Margit Hauft
ist ehemalige Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreich und langjährige Präsidentin der Katholischen Aktion Oberösterreich

Der Baum vor dem Haus

Erwartet werden bedeutet auch, dass ich in einem Zustand kommen darf, der nicht unbedingt „vorzeigbar“ ist. Dazu eine kurze Geschichte: Ein Mann hatte eine lange Haftstrafe abzusitzen. Als der Tag seiner Entlassung nahte, schrieb er einen Brief nach Hause: „Ich habe Schande über die Familie gebracht und verstehe, wenn ihr mich nicht mehr sehen wollt. Gebt mir ein Zeichen!“ Er nannte den Entlassungstag und schrieb weiter. „Ich werde mit dem Zug an eurem Haus vorbeifahren. Wenn ihr mich wieder aufnehmen wollt, dann hängt ein weißes Tuch in den Baum vor dem Haus. Wenn ich kein Tuch sehe, werde ich weiterfahren, ihr werdet mich nie wieder sehen!“

Die Entlassung kam und der Mann saß im Zug. Als sein Dorf nahte, vermochte er nicht aus dem Fenster zu sehen. Er beschrieb einem Mitreisenden das Haus und den Baum davor und bat ihn für ihn hinauszusehen. Der Mitreisende tat es und als die Stelle kam, rief er aus: „Alles weiß – der ganze Baum hängt voller weißer Tücher!“ Es ist ein Erwartet- und Empfangen-Werden „trotz allem“, was Heimat ausmacht.