Die Sonne scheint über Guten und Bösen

„Und immer, immer wieder geht die Sonne auf“, singt Udo Jürgens. Und sie geht für alle Menschen „immer, immer wieder“ auf – gute und böse. Ist das gerecht?

Morgengedanken 15.10.2016 zum Nachhören:

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Der Vater lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Gott sorgt anscheinend für alle. Und alle, so sagt uns Jesus in der Bergpredigt, sind abhängig von dem einen Gott, Gute und Böse, Gerechte und Ungerechte. Wir leben ja davon, dass die Sonne uns wärmt und der Regen die Natur wachsen und gedeihen lässt. Beides lässt Gott geschehen.

Thomas Hennefeld
ist Landessuperintendent der evangelisch-reformierten Kirche in Österreich und seit 14. Oktober Vorsitzender des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich

Freund und Feind

Nicht zufällig steht diese Aussage Jesu in der Bibel nicht weit entfernt von der Feindesliebe. In bewaffneten Konflikten, im Krieg und Bürgerkrieg, ist die Wahrheit bekanntlich das erste, das stirbt. Und dann gibt es nur noch ein Denken in Wir und die Feinde, die Guten und die Bösen und dieses Denken wird nicht selten begleitet von der Überzeugung, den anderen besiegen oder gar vernichten zu müssen.

Wie oft im Lauf der Geschichte hat sich eine Partei die Parole auf die Fahnen geheftet: „Gott mit uns!“ Wenn aber Gott die Sonne über Guten und Bösen scheinen lässt, dann kann er nicht nur auf meiner Seite sein. Diese harmlos scheinende Aussage Jesu kann ein Anstoß sein, das Schwarz-Weiß-Denken von Freund und Feind zu durchbrechen, auf den anderen zuzugehen und vielleicht auch über Gräben hinweg einander die Hände zu reichen.