Leben in Fülle

Der November ist traditionell der Monat des Totengedenkens. Die kühlen und grauen Tage regen offenbar dazu an, über die Vergänglichkeit nachzudenken. Das muss nicht unbedingt in Traurigkeit und Depression führen, denn erst der Tod macht das Leben kostbar.

Morgengedanken 18.11.2016 zum Nachhören:

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Neulich habe ich einen langjährigen Kollegen bei einer Konferenz in Salzburg getroffen. Wir schmiedeten Pläne für eine Exkursion im Juli 2017. Am nächsten Tag die Nachricht auf meinem Handy: Sepp plötzlich verstorben. Ich konnte es nicht glauben. Mitten aus dem Leben, voller Tatendrang und Pläne – Herzinfarkt und aus.

Elisabeth Rathgeb
ist Seelsorgeamtsleiterin der Diözese Innsbruck

Dankbarkeit in der Trauer

Natürlich weiß ich, dass das jederzeit passieren kann. Nicht nur anderen, sondern auch mir. Im Kopf ist klar, dass unser Leben endlich ist. Dass jeder Tag kostbar und geschenkt ist. Als Theologin und Christin vertraue ich auch auf die Perspektive „danach“: Dass wir hier auf der Erde ein Leben beenden, aber ein neues in der anderen Welt beginnen. Dass unsere Verstorbenen uns nur einen großen Schritt vorausgegangen sind in diese neue Heimat. Dass alles, was jetzt im Leben bruchstückhaft, endlich und unvollendet ist, danach ganz und heil und wirklich „Leben in Fülle“ ist. Trotzdem reißt jeder Tod ein Loch. Und relativiert so vieles, was im Alltag wichtig und dringend scheint. Mit dieser Erfahrung lebt es sich intensiver.

Dietrich Bonhoeffer, von den Nazis ermordeter evangelischer Theologe, formuliert es so: „Je schöner und voller die Erinnerung, desto härter die Trennung. Aber die Dankbarkeit schenkt in der Trauer eine stille Freude“.