Das säkulare Neujahr

Das Christentum ist in Europa nun schon so lange die Mehrheitsreligion, dass manche christliche Einrichtungen und Denkweisen mittlerweile säkularisiert sind. Sie sind an vielen Orten der Welt Teil der Mainstream-Kultur und werden von säkularen Institutionen oft mehr verteidigt als von der Kirche.

Gedanken für den Tag 30.12.2016 zum Nachhören:

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Die österreichische „Allianz für den freien Sonntag“ etwa listet sieben Argumente für den arbeitsfreien Tag auf, von denen kein einziges sich explizit auf den christlichen Glauben bezieht. Auch wenn die Kirchen ganz wesentlich zur Allianz für den freien Sonntag beitragen und die Kampagne von der Katholischen Sozialakademie aus koordiniert wird, ist sie gesamtgesellschaftlich ausgerichtet und wird unter anderem von Attac, der Arbeiterkammer, dem Gewerkschaftsbund und den Grünen unterstützt. Christlich an der Kampagne ist, dass es um den Sonntag als arbeitsfreien Tag geht und nicht etwa um den Samstag. Der Schabbat, der letzte Tag, den Gott erschaffen hat und der wichtigste jüdische Feiertag, ist zwar das Vorbild des Sonntags – aber heute liegen die beiden eben nicht am selben Tag und werden auch unterschiedlich begangen. Säkular an der Allianz für den freien Sonntag ist das Verständnis, dass ein Feiertag pro Woche positive Auswirkungen auf das menschliche Leben hat.

Sarah Egger
ist Geschäftsführerin des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit

Ähnlich verhält es sich mit dem, was wir hier demnächst als Neujahr feiern. Der gregorianische Kalender geht auf die Kalenderreform durch Papst Gregor XIII. zurück, die den Jahresbeginn in weiten Teilen Europas vom 6. auf den 1. Jänner verlegte. Das katholische Österreich hat diesen Kalender übernommen und so ist Silvester – übrigens so benannt nach Papst Silvester dem Ersten, der am 31. Dezember 335 gestorben ist – so ist also Silvester als Jahreswechsel heute Teil der säkularen Mainstream-Kultur. Es gibt aber noch ganz andere Entwürfe, etwa das jüdische Neujahr, das in den Herbst fällt.

Ich finde, dass die Säkularisierung ursprünglich christlicher Feiertage auch etwas sehr Positives hat. Der Mainstream ist das, worauf sich eine Gesellschaft großteils einigen kann. Und wenn wir uns einigen können, am 1. Jänner alle zusammen eine Ruhepause einzulegen, das letzte Jahr zu überdenken und Pläne für die Zukunft zu machen, ist das eine gute Sache. Auch wenn ich sozusagen „mein“ neues Jahr schon im Oktober begonnen habe, feiere ich am 1. Jänner, dass verschiedene Menschen innerhalb eines Gefüges zusammenleben und zusammen feiern können.

Musik:

Klezmonauts: „Jingle Bells"
Label: Libman Music ASIN: B00000FXN2